Serie

Joseph „Little Joe“ Cartwright – Bonanza

Ach, diese hitzköpfige Jugend. Da bleibt die Vernunft schon manchmal auf der Strecke. Scheut keine noch so unnötige Wette und keinen unnützen Konflikt: Joseph „Little Joe“ Cartwright.

Bonanza (1959 – 1973) – Die Story

Drehbuch Episode 1: David Dortort
Es ist immer etwas los im Wilden Westen. Und erst recht auf der Ponderosa-Ranch. Was nicht nur daran liegt, dass der Familienpatriarch Ben Cartwright (Lorne Greene) mit seinen drei Söhnen Adam, Hoss und Joseph ein riesiges Gebiet bewirtschaften muss. Vor allem der jüngste Spross der Familie, der hitzköpfige Joseph, genannt „Little Joe“ (Michael Landon), hält mit seinen Flausen die Verwandtschaft gehörig auf Trab.

Die Einführung von Joseph „Little Joe“ Cartwright

Adam Cartwright kehrt zur Ponderosa-Farm zurück, um dem scheinbar arbeitsfaulen „Little Joe“ die Leviten zu lesen. Dieser hat sich im Wohnzimmer gerade einen Degen geschnappt und fuchtelt selbstverliebt damit herum. Adam staucht „Little Joe“ zusammen. Er solle sich doch bitte wie ein richtiger Cartwright benehmen. Das bedeutet zu arbeiten, anstatt einen affigen Franzosen-Degen zu schwingen. „Little Joe“ kontert, dass er sich ärgert überhaupt mit so einem hochnäsigen Bostoner Yankee verwandt zu sein. Und los geht die heitere Familienschlägerei.

Die beiden Streithähne lassen sich auch von den wütenden Worten des Vaters nicht auseinanderbringen, der nun den Raum betritt. Also schickt dieser Hoss, den dritten Bruder, als Schlichter in den Kampf. „Little Joe“ verbietet sich die Einmischung, wird dafür aber direkt von Hoss auf die Bretter gelegt. Vater Ben Cartwright hält klein Joseph daraufhin eine Standpauke und schließlich entschuldigt sich „Little Joe“ brav bei Adam. Als dieser ihm vorwirft, sich nicht um den Abtrieb der 1000 Rinder gekümmert zu haben, legt sich aber ein Lächeln über die Lippen des jüngsten Sohnes. Hat er doch alles schon erledigt. Spürbar beeindruckt reicht nun auch Adam „Little Joe“ die Hand. Geht also doch, mit dem Familienfrieden.

Joseph "Little Joe" Cartwright in "Bonanza" - Zitat

Die Analyse:

Ein Spitzname kann viel verraten. Dass Joseph Cartwright von seiner Familie als „Little Joe“ betitelt wird reicht schon, um erste Assoziationen beim Publikum für diese Figur zu wecken. Ohne, dass man diese vorher überhaupt einmal getroffen hat. Aber die Charaktereinführung von „Little Joe“ hat mehr zu bieten als nur einen vielsagenden Namen. Natürlich, „Bonanza“ kommt aus einer Zeit, als Westernserien mehr durch ihre Berechenbarkeit als ihre Komplexität bestachen. Trotzdem ist es spannend anzuschauen, wie durchdacht die erste Episode diesen für die Serie so wichtigen Charakter einführt.

Die Art und Weise wie „Little Joe“ eingeführt wird unterstreicht dabei die besondere Bedeutung dieser Person für die Serie. Es wird nämlich gekonnt an der Spannungsschraube gedreht, in dem dessen Auftritt zwar angekündigt, aber immer wieder etwas nach hinten geschoben wird. So erhält man, neben dem Spitznamen, Stück für Stück mehr Infos über den jüngsten Spross der Sippe, ohne diesen aber schon zu Gesicht zu bekommen.

Ben und Adam in "Bonanza"
Wo „Little Joe“ wohl wieder steckt? Ben und Adam sind am rätseln (Foto: ©Alive – Vertrieb und Marketing/DVD)

Männlichkeit kommt mit den Jahren
Los geht es mit Papa Ben, der gegenüber Adam für Verständnis und Geduld für „Little Joe“ wirbt. Adam ist nämlich sauer, dass „Little Joe“ nicht wie besprochen beim Treffpunkt ist, um ihn über den Status der Rinder im Norden zu unterrichten. Als Adam sich auf die Suche nach dem kleinen Bruder begeben will, hält Ben ihn aber noch einmal mahnend zurück. Nicht vergessen Adam, dein Bruder ist jung und noch kein richtiger Mann. Kurz darauf trifft Familienvater Ben dann auf Hoss, den dritten Bruder. Und spricht diesen darauf an, ob ihm „Little Joe“ denn aktuell Ärger bereitet.

So zeichnet sich dann schon vor dem ersten Auftritt von „Little Joe“ ein erstes Bild des jüngsten Cartwrights ab. Offensichtlich scheint er nicht komplett zuverlässig zu sein und hat scheinbar mehr Flausen als Arbeit im Kopf. Die Wärme, mit der Vater Ben aber über seinen Sohn spricht („only thing wrong with him: he is young“), deutet aber auch an, dass „Little Joe“ trotzdem ein guter Junge ist. Netter Jungspund mit Flausen im Kopf, genau dieses Bild im Kopf des Zuschauers wird dann auch im ersten Auftritt von „Little Joe“ aufgegriffen. Mit breitem Grinsen übt „Little Joe“ zu fechten. Mitten im Wohnzimmer der Farm springt er dabei wild mit einem Degen umher.

Joseph "Little Joe" Cartwright in "Bonanza"
En garde! Little Joe ist busy im Abenteuerland (Foto: ©Alive – Vertrieb und Marketing/DVD).

Das Abenteuer ruft
Nein, das Bild passt so gar nicht zum ersten Eindruck der bisher getroffenen Cartwright-Familienmitglieder. „Little Joe“ kommt als der klassische bunte Hund der Familie daher. Und was wäre besser, um dessen Sonderstellung zu unterstreichen, als ihn mit dem kompletten Gegenstück der Familie zu konfrontieren. Der ernste und arbeitsfixierte Adam betritt den Raum und alleine schon die Körpersprache der beiden Brüder zeigt die Charakterunterschiede auf. Adam läuft ruhig und besonnen während „Little Joe“ wild und unkontrolliert im Raum herumtollt. Und vom großen Bruder gleich mal an die kurze Leine genommen wird.

Adam möchte, dass „Little Joe“ mit dem Quatsch aufhört und klärt ihn erst einmal über die Pflichten eines richtigen Mannes auf. Eine perfekte Vorlage, die nun im weiteren Verlauf der Szene dazu genutzt wird, die Figur des „Little Joe“ weiter zu definieren. „Little Joe“ sieht das Fechten natürlich nicht als Quatsch an, wer weiß, wann man das mal brauchen kann. Hier treffen dann auch zwei Welten aufeinander. Adam, der fest in der Alltagsroutine verwurzelt ist und das Fechten deswegen als Zeitverschwendung ansieht. Auf der anderen Seite „Little Joe“, der auf neue und spannende Abenteuer dort draußen hofft. Und da sollte man natürlich besser vorbereitet sein.

Joseph "Little Joe" Cartwright in "Bonanza"
Mein Bruder. Du hast nicht zufällig Lust auf einen kleinen Kampf (Foto: ©Alive – Vertrieb und Marketing/DVD).

Ein Charakter wie ein Vulkan
Das Duell abenteuerhungriger Jungspund gegen pflichtbewussten alten Hasen geht dann direkt in die nächste Runde. „Little Joe“ reagiert schnippisch und ignorant auf die Ratschläge des großen Bruders, woraufhin dieser ihn mit einem Kommentar über dessen französische Mutter provoziert. Ein Kommentar, der geschickt gleich zwei Funktionen erfüllt. Zum einen bekommen wir den ersten Infobaustein bezüglich der etwas ungewöhnlichen Familienkonstellation der Cartwrights serviert (alle drei Söhne stammen von unterschiedlichen Müttern). Zum anderen dient die Provokation als Auslöser für eine vielsagende Reaktion durch „Little Joe“. Der wird nämlich richtig sauer und kontert mit der nächsten vielsagenden Provokation, in dem er Adam als hochnäsigen Bostoner Yankee beschimpft.

Ja, dieser Hitzkopf läßt sich leicht provozieren. Und bekommt dafür dann auch direkt die Quittung in Form eines perfekt gesetzten Faustschlages durch Adam. Es entsteht ein kleiner Faustkampf, bei dem „Little Joe“ gleich mehrmals einstecken muss. Aber immer weitermacht. Nach dem ersten Schlag legt sich aber ein vielsagendes breites Grinsen über sein Gesicht. Endlich Abenteuer. Ein feuriges Temperament, kein großer Respekt vor Autoritäten und die kindliche Freude an einer ordentlichen Schlägerei – ja, ein typischer Jungspund. Der auch dann nicht aufgeben will, als der Vater die Bühne betritt und den kräftigen Hoss zum Schlichten in den Ring schickt. Erst als Hoss ihn auf die Bretter legt, gibt „Little Joe“ Ruhe.

Joseph "Little Joe" Cartwright in "Bonanza"
So redet keiner über meine Mutter. Jetzt gibts Saures (Foto: ©Alive – Vertrieb und Marketing/DVD).

Ein Hitzkopf mit Pflichtbewusstsein
Durch das geschickte „Hocheskalieren“ der Szene haben wir also nun ein guten Eindruck von diesem heißblütigen Cartwright bekommen. Aber mögen wir ihn auch als Zuschauer? Genau hier setzt der zweite Teil der Szene an. Schließlich geht es ja um die heile Familienwelt in dieser Serie. Da mag die ein oder andere Klopperei drin sein, aber am Ende halten natürlich alle zusammen. So bietet „Little Joe“ Adam dann doch die Hand zur Entschuldigung an. Mindestens genauso wichtig für den Sympathiewert dieser Figur sind dann aber noch zwei weitere Informationen, die jetzt vermittelt werden.

Zum einen stellt sich heraus, das „Little Joe“ sehr wohl seinen Arbeitspflichten nachgekommen ist und tatsächlich 1000 Rinder problemlos den Berg hinunter getrieben hat. Und zum anderen legt Hoss für „Little Joe“ seine Hand ins Feuer, als er klarstellt, dass sein kleiner Bruder bei einer solchen Aussage niemals lügen würde. So entpuppt sich „Little Joe“ am Ende also doch als ehrenhaftes Familienmitglied, das sehr wohl sich auch in Sachen Arbeit für die Familie ins Zeug legt. Und schon liegen sich alle versöhnlich in den Armen.

Joseph "Little Joe" Cartwright in "Bonanza"
Ist Familie nicht schön. Da kann man auch mal eine Klopperei verzeihen (Foto: ©Alive – Vertrieb und Marketing/DVD).

Ein Rebell bleibt ein Rebell
Natürlich, das ist schon eine arg romantisierte Auflösung des Konflikts. Am Ende stellt sich alles als harmlos heraus. Getreu nach dem Motto: soviel Konflikt wie gerade nötig, so wenig böses Blut wie möglich. Behutsam vermeidet man so einen Bruch des Zuschauers mit der Figur. Klar, „Little Joe“ muss als Sonderling etabliert werden. Aber eben als einer, den möglichst viele Zuschauer gerne haben können. Und unter dem Gesichtspunkt stellt sich die Einführung von „Little Joe“ eigentlich ziemlich clever an.

Wichtig ist dabei auch, dass sie in diese zuckersüße Auflösung des Konflikts doch noch ein bisschen Salz streut und sie so etwas realistischer macht. Denn auch während der Versöhnung stichelt „Little Joe“ mit ein paar Kommentaren noch weiter gegen seinen Bruder. Er bezeichnet diesen noch einmal als Yankee-Dickschädel – und erntet hier einen strengen Blick des Vaters. Und seine eigene Meisterleistung mit den Rindern bezeichnet er als selbstverständlich für einen armen Jungen aus New Orleans (eine Anspielung auf die Provokation durch Adam ein paar Minuten früher). So bleibt die Figur am Ende sich selbst doch noch treu, auch wenn sie klein beigibt. Und so zeichnet diese Einführungsszene „Little Joe“ geschickt als genauso rebellischen wie guten Jungen. Einen, der gerne einmal über die Stränge schlägt aber doch auch rechtschaffen ist und auch mal um Verzeihung bitten kann. Wenn auch mit einem kleinen Grinsen. So jemanden kann aber auch Großmutter sehr gut in ihr Herz schließen.

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