Kevin Spacey gibt den Bösewicht – manchmal liegen Realität und Fiktion gar nicht so weit auseinander. Für diesen Blog aber die interessantere der beiden Figuren: Francis Underwood.
House of Cards (seit 2013) – Die Story
Drehbuch Episode 1: Beau Willimon
Dem machthungrigen Abgeordneten Francis „Frank“ Underwood (Kevin Spacey) wird vom neu gewählten Präsidenten der versprochene Posten des amerikanischen Außenministers verwehrt. Gemeinsam mit seiner nicht weniger karrierefixierten Ehefrau Claire sinnt Frank auf Rache – und geht dafür über Leichen.
Die Einführung von Francis „Frank“ Underwood
Quietschende Autoreifen, ein lauter Crash und ein jaulender Hund. Frank öffnet schwungvoll zu später Stunde die Wohnungstür seines gut betuchten Anwesens und blickt sich um. Am Ende der Strasse liegt ein Hund am Boden, ein Auto fährt davon. Gemeinsam mit seinem Leibwächter geht Frank zu dem qualvoll winselnden Tier. Er erkennt, dass es der Hund der Nachbarn ist und schickt seinen Leibwächter los, um diese zu informieren.
Frank kniet sich nun über den Hund und versucht ihn zu beruhigen – dann beginnt er direkt zum Zuschauer zu sprechen. Frank klärt uns über den Unterschied zwischen nützlichem Schmerz (er macht dich stärker) und unnützem Schmerz (er läßt uns nur leiden) auf. Für unnütze Sachen habe er aber keine Geduld – und so beginnt Frank den Hund durch Erwürgen von seinem Leiden zu „erlösen“. Und erklärt uns netterweise noch seine Motivation dahinter. Manchmal, so Frank, braucht es Menschen, die auch die unangenehmen aber eben notwendigen Dinge umsetzen. Als die Nachbarn endlich kommen ist der Hund bereits tot. Frank erklärt ihnen, mit perfekter Unschuldsmiene, dass dessen Tod ja leider ein Unfall war. Aber Frank hat als Politiker natürlich auch ein Versprechen mit einem Schuss Hoffnung parat: Er wird persönlich jemanden beauftragen, um den Schuldigen ausfindig zu machen.
Analyse: Auf den Hund gekommen
Keine Frage, der Ruf von „House of Cards“ ist nach den Enthüllungen rund um Kevin Spacey deutlich angeschlagen. Das sollte aber kein Grund sein, die Serie nun generell zu verteufeln. Und auf die Analyse der wirklich sehr interessanten Eröffnungsszene wollen wir hier erst recht nicht verzichten. Denn hier haben wir es wieder mit einem der Fälle zu tun, wo schon in der ersten Szene gleich einige markante Eigenschaften der Hauptfigur (und auch der Serie) erfolgreich etabliert werden.
Es ist dabei ein wahrlich theatralischer Auftritt, den Frank hier hinlegt. Er reißt die Tür auf und stürzt entschlossenen Schrittes direkt auf die Kamera zu. Ja, hier wird gleich mal deutlich gemacht, wer wohl die zentrale Hauptfigur sein wird. Und es wird transportiert, dass dieser Frank Underwood ein sehr entschlossener Zeitgenosse zu sein scheint – Körpersprache ist manchmal eben alles. Das wir der Figur zum ersten Mal mitten in der Nacht begegnen, und sie sozusagen aus dem Schatten heraus auf den Zuschauer zukommt, ist dazu noch ein subtiler Fingerzeig: Ee könnte sein, dass wir es hier nicht mit einem moralisch sauberen Helden zu tun haben. So banal es klingt, alleine die Wahl, ob man die Hauptfigur am Tag oder in der Nacht das erste Mal dem Zuschauer präsentiert, kann schon geschickt zur Charakterzeichnung genutzt werden (oder diese zumindest verstärken).
Wie dieser Frank Underwood wirklich tickt erfahren wir aber bereits nur wenige Sekunden später in aller Deutlichkeit. Netflix hat in seinen Messungen des Zuschauerverhaltens tatsächlich feststellen können, dass ein nicht unbeträchtlicher Anteil des Publikums direkt nach der ersten Szene, und dem damit verbundenen „Mord“ an dem Hund, abgeschaltet hat. Laut den Machern der Serie war damit gerechnet worden, womit man ihnen zu ihrer Konsequenz dann auf jeden Fall gratulieren darf. Es wird so ein deutliches Ausrufezeichen gesetzt, mit wem man es zu tun hat und gleich mal der Teil des Publikums aussortiert, der mit einer solchen Figur so gar nichts anfangen kann.
Das uns Frank in dieser ersten Szene vor allem durch das Umbringen des Hundes als eiskalter Mensch präsentiert werden soll ist offensichtlich – allerdings gibt es bei genauerem Hinschauen noch ein paar weitere interessante Details zu entdecken. Schon davor wird Frank nämlich als rationaler und eher gefühlskalter Mensch etabliert – und zwar mit dem einfachen Trick. Man stellt ihm einfach einen Gegenpart an die Seite, der die genau gegenteiligen Gefühle zeigt. Während der Leibwächter vom Anblick des verletzten Hundes geschockt ist („Jesus“, „Oh man“) würdigt Frank das Tier nur eines kurzen Blickes und hat direkt den Verstand eingeschaltet („Did you get a good look?“). Null Mitgefühl. Was uns wieder einmal daran erinnert, dass wir eine Figur immer auch im Vergleich mit ihrer Umgebung wahrnehmen und man genau das als probates Mittel zur Figureneinführung nutzen kann.
Das Frank dann den Leibwächter wegschickt um die Nachbarn zu holen, zeigt nicht einfach nur den höheren Status von Frank. Es verdeutlicht uns auch, wie Frank Macht ausübt: Er würdigt den Leibwächter nämlich nicht mal eines Blickes (von einem „Bitte“ mal ganz zu schweigen). Schon so kleine Feinheiten reichen um den Zuschauer darin zu bestätigen, dass man es hier wohl mit einem weiteren Fall eines dieser eiskalten Machtmenschen aus Washington zu tun hat. Richtig eindeutig, und ehrlich gesagt nicht gerade sehr subtil, wird dieses Bild dann natürlich durch das Umbringen des Hundes manifestiert. Das hat etwas von Holzhammer, ist aber effizient – jeder weiß nun, auf was für eine Figur und Reise er sich hier einläßt.
Interessant sind aber noch zwei weitere Dinge. Einmal natürlich das Stilmittel des Monologs, den Frank in Richtung des Zuschauers hält. Kein neuer Einfall aber in Serien bisher eher selten so konsequent umgesetzt wie hier (zumindest in der ersten Staffel). Dieses Stilmittel macht es dem Zuschauer natürlich einfach in den Kopf des Protagonisten zu gelangen und eine gewisse Verbundenheit zu kreieren (die den Zuschauer so zu einer Art „Partner in Crime“ werden läßt). Verbundenheit – das ist nicht so leicht bei einer derart skrupellosen Figur und da ist die direkte Ansprache des Publikums durch Frank natürlich ein cleverer Kniff. Funktioniert aber natürlich nur, wenn man es dann auch konsequent durchzieht.
Am spannendsten an der Eröffnungsszene ist aber etwas deutlich subtileres. Wer nämlich genau hinschaut realisiert, dass die Serie uns hier auch etwas über die Taktik von Frank verrät, mit der dieser viele seiner zukünftigen Pläne und Intrigen angehen wird. In diesem Fall ist der Hund der Stellvertreter für all die „menschlichen Opfer“, die Frank bald auf dem Gewissen haben wird. Wir bekommen hier sozusagen die Blaupause für all das serviert, was noch kommen wird. Frank sieht den Hund, entdeckt dessen verwundbare Stelle, redet ihm erst einmal gut zu, um ihn in Sicherheit zu wähnen, nur um ihn gleich darauf eiskalt zu erledigen. Als dann die Nachbarn kommen (gleichzusetzen mit dem jeweiligen Umfeld aller späteren Opfer) verheimlicht Frank nicht nur seine Schuld, er zieht die Nachbarn auch noch geschickt auf seine Seite, in dem er sich als scheinbarer Freund ausgibt, der alles dafür tun wird, um diese Sache aufzuklären.
Mit anderen Worten: Die Einführung von Frank Underwood ist eine wundervolle Metapher für die Art und Weise, wie die Hauptfigur in den weiteren Folgen agieren wird. Gleichzeitig ist sie auch ein eleganter Weg, um über die Hauptfigur dem Zuschauer ein faires Angebot zu unterbreiten: What you see is what you get – also sagt nicht, wir hätten euch nicht gewarnt.
P.S.: Eine Rezension von mir zu den ersten drei Staffeln gibt es übrigens hier bei den Jungs von filmszene zu lesen.