Abgeschweift

2018 – Ein Jahr in Filmen

2018 war kein gutes Filmjahr. Sagt einer, der eigentlich viel zu wenige Filme gesehen hat um sich darüber ein Urteil zu erlauben. Ich mache es trotzdem und präsentiere hier meine Top10.

Jedes Jahr habe ich das gleiche Problem. Immer zur Weihnachtszeit bittet mich unser Chefredakteur drüben auf filmszene.de um meine Top10-Liste für das vergangene Filmjahr. Und jedes mal bekomme ich Schnappatmung angesichts der Tatsache, dass ich das vergangene Jahr an allen möglichen Orten gewesen bin, aber so gut wie kaum im Kinosaal. Also setze ich mich meistens ein Wochenende im Dezember hin und versuche den Rest des Jahres filmisch aufzuarbeiten – soweit das möglich ist.

Das hat auch dieses Jahr wieder gerade so für eine Top10-Liste gelangt, auch dank tatkräftiger Unterstützung von Netflix (mit „Roma“ und „The Ballad of Buster Scruggs“ ist Netflix gleich mit zwei Eigenproduktionen bei mir vertreten). Aber trotzdem habe ich nicht das Gefühl, so richtige Highlights verpasst zu haben. Klar, mir fehlt der Blockbuster-Hit „Black Panther“, als alter Queen-Fan hätte wohl „Bohemian Rhapsody“ auch eine gute Chance auf eine Top10-Platzierung gehabt und viele kleinere Arthouse-Releases und Festival-Gewinner (z.B. „Cold War“) habe ich auch nicht gesehen. Trotzdem erlaube ich mir das Urteil fällen zu können, dass 2018 jetzt dann doch eher ein durchwachsenes Jahr war.

Da man nun auf der Filmszene-Seite jetzt nur eine Auflistung meiner Top10-Filme findet, dachte ich, ich nutze den Ort hier um ein paar kurze Worte zu den einzelnen Filmen zu verlieren. Wir beginnen mit Platz 10:

10. Shape of Water
Guillermo del Toros mit Abstand bisher bester Film war das wundervolle kleine Meisterwerk „Pan’s Labyrinth“ (meine ausführliche Lobpreisung dafür gibts hier). „Shape of Water“ hat einige Parallelen aber so nett der Film auch anzuschauen ist, wirklich geliebt habe ich ihn nicht. Definitiv gut inszeniertes Kino, dass auch manch schöne Momente hat. Aber mit zunehmender Spieldauer nervten mich kleinere Logikfehler und ich merkte wie mein Herz abschaltete.

Wenn einem Logikfehler auffallen ist das aber meist ein Zeichen dafür, dass irgendwas anderes, viel wichtigeres, nicht stimmt. So erschien mir das ganze Setting der Geschichte irgendwie unglaubwürdig. Nicht wegen der Fantasyelemente, aber es war alles irgendwie zu konstruiert, angefangen bei den unglaubwürdigen Sicherheitsbedingungen im Militärkomplex. Ich konnte die Geschichte einfach nie richtig ernst nehmen. Und richtig überzeugend fand ich die Chemie zwischen Elisa und dem Wasserwesen auch nicht. Reicht am Ende immer noch für einen netten, aber eben nicht wirklich bewegenden Filmabend.

 

9. Wind River
Atmosphäre. Das ist das große Plus von „Wind River“. Von der Story rund um den Mord an einer toten Frau mitten im verschneiten Wyoming ist bei mir kaum noch etwas hängengeblieben. Ganz im Gegenteil zu den tollen Bildern und der starken Inszenierung. Wie auch schon in seinen beiden Vorgänger-Filmen (die sehr empfehlenswerten „Sicario“ und „Hell or High Water“) zeigt Taylor Sheridan, dass er ein verdammt gute Regisseur ist, wenn es darum geht Atmosphäre aufzubauen. Auch die Figuren sind gut gelungen, nur die Story kommt einfach etwas zu holprig und dünn daher um einen noch eindrucksvolleren Filmabend zu garantieren.

 

8. The Ballad of Buster Scruggs
Die erste Netflix-Eigenproduktion der Coen-Brüder besteht aus einer Reihe sehr unterschiedlicher Western-Episoden. Die Unterschiede dieser Geschichten bestehen aber nicht nur im Ton, sondern auch in Sachen Qualität. Glücklicherweise ist gleich die erste Episode die Beste: The Ballad of Buster Scruggs. Wundervoll makaberer Humor rund um einen gut aufgelegten und singfreudigen Cowboy mit übermenschlicher Schusstechnik.

Der Rest kann zwar an diese Qualität nicht ganz anknüpfen, mit Meal Ticketund The Gal Who Got Rattled kann sich der Zuschauer aber noch auf zwei sehr gelungene Episoden freuen. Und auch Near Algodones und All Gold Canyon haben ihre Momente, auch wenn vor allem Letztere doch schon eine etwas arg dünne Story besitzt. Lediglich die Abschlussepisode The Mortal Remains hat mich komplett kalt gelassen. Insgesamt aber ein sehr kurzweiliger (aber auch durchaus blutiger) Zeitvertreib für Freunde des Western-Genres.

 

7. Roma
„Roma“ ist Arthouse-Kino. Kein Zweifel. Diese Netflix-Eigenproduktion rund um das Leben einer mexikanischen Haushälterin wird die Freunde des Blockbusterkinos direkt in den Tiefschlaf versetzen. Wer aber sehr viel Zeit, ein Faible für stimmungsvolle Inszenierung und ein bisschen Neugier auf die mexikanische Kultur mitbringt, der wird belohnt werden. Ironischerweise fand ich die erste Stunde des Filmes am gelungensten, auch wenn diese eigentlich rein aus Set-Up besteht und hier so gut wie gar nichts passiert. Da ich aber selbst mal ein halbes Jahr in Mexiko gelebt habe war gerade dieser Alltag rund um die Haushälterin für mich eine Art melancholischer Genuss. Ach, alte Zeiten.

Richtig an Fahrt gewinnt die Story erst hintenraus. Trotzdem war ich da irgendwie enttäuscht wie sich mancher Strang entwickelte oder aufgelöst wurde. Wobei der Film natürlich nur so von Symbolik strotzt und man nachher alles mögliche reininterpretieren kann. Sicher ist dagegen, dass „Roma“ stark inszeniert ist, insbesondere eine Sequenz am Strand gegen Ende ist zum Zunge schnalzen. Aber man muss eben wissen, auf man sich bei diesem Film einläßt.

 

6. BlackkKlansman
Ein Afro-Amerikaner, der sich in den Ku-Klux-Klan einschmuggelt. Was für ein tolles Grundszenario. Zwei Sachen haben mir bei der Umsetzung hier besonders gefallen. Zum einen die gute Mischung aus Komödie und Gesellschaftskritik, die eine sehr angenehme Balance zwischen beiden Aspekten findet. Zum anderen auch die sehr sympathischen Hauptfiguren, bei denen die Stimme der Vernunft und des Understatements vorherrscht.

Lange Zeit kommt der Film ganz gut ohne den Holzhammer aus um seine politische Botschaft zu transportieren – nur im Abspann folgt dann ein ziemlicher Schlag in die Magengrube. Geht zwar an die Nieren, passt aber irgendwie nicht so ganz zu dem Film. Und auch der große Showdown ist etwas arg überkonstruiert. Alles in allem aber ein sehr kurzweiliges Vergnügen, das Entertainment und Nachdenkpotential bietet. Und das ist immer sexy.

 

5. The Guilty
Ein feiner kleiner dänischer Thriller, der seinen Reiz aus der Location zieht. Es gibt nämlich nur eine. Keine neue Idee, aber die Story rund um einen Cop, der in einer Notrufzentrale einen dramatischen Anruf erhält ist vor allem in Sachen Story sehr gut umgesetzt. Ein bisschen packender hätte noch die Inszenierung ausfallen können, aber vor allem für einen Debütfilm ist das wirklich ein netter kleiner Leckerbissen geworden. Meine ausführlicher Kritik zu dem Film gibt es hier

 

4. Searching
Und wieder eine dieser High-Concept-Ideen. Wieder nicht neu, aber wieder einfach gut umgesetzt. Ein Thriller, der ausschließlich auf dem Laptop und dem Smartphone der Hauptfigur stattfindet. Und bei dem der Bildschirmschoner schon mal zum dramaturgischen Mittel avanciert. Sehr kurzweiliger Film, der vor allem mit der unglaublichen Nähe, die er zu seinen Figuren aufbaut, punktet. Mehr von mir dazu hier

 

3. Lady Bird
Ich liebe solche kleinen Geschichten. Eigentlich geht es nur um die üblichen Probleme einer Teenagerin auf ihrem Weg zum Erwachsensein. Aber manche Filme können das so toll umsetzen, dass für fast zwei Stunden diese alltäglichen Probleme einen an den Sessel fesseln. Viel Liebe fürs Detail, wundervolle Darsteller und verdammte gute Dialoge – hier wird man verwöhnt.

Vor allem aber funktionieren diese Figuren ohne das irgendwelche künstlich wirkenden Konflikte oder Antagonisten heraufbeschworen werden müssen. Bestes Beispiel ist das wundervolle Porträt der Mutter, die ihre Tochter liebt aber Probleme hat diese Liebe zu zeigen. Und mit dem leicht lakonisch-trockenen Humor den die Figuren öfters pflegen kriegt man mich natürlich auch immer rum. Vor allem wer Filme wie „Juno“ oder „Einfach zu haben“ mochte wird „Lady Bird“ einfach nur genießen. Dieser Film hat das Herz am rechten Fleck.

 

2. A quiet place
Eigentlich bin ich kein Horror-Fan. Aber auch ich erkenne Genre-Perlen. Und kann die würdigen. „A quiet place“ ist packendes Kino. Liegt natürlich einmal an der wunderbaren Grundidee, einen Film fast komplett in Stille zu tauchen. Als Mittel zur Spannungserzeugung. Aber eben auch an einer beeindruckenden Inszenierung, die einen von der ersten Minute mitreißt. Und die mal wieder beweist, dass man auch mit wenig Gewalt dem Zuschauer eine Heidenangst einjagen kann.

Das mit Emily Blunt eine meiner Lieblingsdarstellerinnen hier ums Überleben kämpft macht die Sache nur noch besser. Einzig schade, dass ich den Film nicht im Kino gesehen habe. So eine Totenstille dürfte man wohl nur selten in einem Saal erlebt haben. Also ihr Horror-Muffel-Kollegen, gebt euch einen Ruck, „A quiet place“ ist einfach ganz großes Kino.

 

1.Three Billboards outside Ebbing, Missouri
Dieser Film ist soviel. Er ist laut, er ist ruhig, er ist witzig und traurig. Er überrascht und ist konsequent. Konventionen sind im relativ egal, stattdessen setzt er vor allem auf tolle Figuren und bissige Dialoge, die einen emotionalen Tiefschlag nach dem anderen setzen. Der oft schwarze und lakonische Humor ist ganz mein Ding, auch wenn der Film es hier und da manchmal auch fast ein klein wenig übertreibt.

Und dann hat er eben einfach auch noch grandiose Darsteller, neben der tollen Frances McDormand auch zwei meiner aktuellen Lieblinge: Woody Harrelson und Sam Rockwell. Vor allem Rockwell hat dabei eine richtig tolle Figur erwischt, die am Ende den Erwartungen der Zuschauer nicht entspricht. Wie so vieles bei diesem Film. Und das ist einfach wundervoll. Das Highlight des Jahres 2018.

 

Und sonst noch
Vielleicht noch kurz zu zwei Filmen, die es zwar nicht in die Top10 geschafft haben, aber mir wegen ihrem Ende im Gedächtnis geblieben sind. Beides gute Filme und doch beide soweit voneinander entfernt wie es nur geht. In der einen Ecke: der Kinoblockbuster „Avengers: Infinity War“. In der anderen: die kleine Netflix-Eigenproduktion „Private Life“.

Auch als nicht Comic-Fan muss ich ja zugeben, das Marvel schon viel richtig macht. Es ist aber bei „Infinity War“ vor allem das kompromisslose Ende, welches in Erinnerung bleibt. Muss man sich auch erst mal trauen. Auch wenn die Fortsetzung wohl leider vieles davon wieder revidieren wird. Das Ende bei „Private Life“, einem kleinen Drama rund um ein Ehepaar und ihren unerfüllten Kinderwunsch, ist dagegen auf wundervolle Art zweideutig. Das Schlussbild gibt dem Zuschauer die Möglichkeit, das Ende entweder als optimistisch oder tragisch zu betrachten.

Egal wie unterschiedliche die beiden Filme aber auch sein mögen, es lohnt sich trotz kleinerer Schwächen in beiden Fällen sich damit einen gemütlichen Filmabend zu machen. Hoffen wir es gibt nächstes Jahr wieder mehr Gelegenheiten dafür…

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