Serie

Jean-Luc Picard – Raumschiff Enterprise

Wieso den elterlichen Weinberg übernehmen, wenn man mit einem großen Raumschiff Streit im Weltall schlichten kann. Ist doch viel aufregender – solange man nicht gerade assimiliert wird. Make it so, Jean-Luc.

Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert (1987-1994) – Die Story

Drehbuch Episode 1: D.C. Fontana, Gene Roddenberry
Neue Schiff, neues Glück. Sternenflottenkapitän Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) darf mit der prestigeträchtigen Enterprise zu neuen Ufern aufbrechen. Auf seiner Reise durch das Weltall trifft das Raumschiff unter Leitung des erfahrenen Captain dabei auf jede Menge fremdartige Lebewesen und gerät immer wieder in bedrohliche Situationen. Dem schier unerschöpflichen Entdeckergeist der Crew tun die vielen Herausforderungen allerdings keinen Abbruch…

 

Die Einführung von Jean-Luc Picard

Wir beginnen mit einem Eintrag ins Computerlogbuch der Enterprise. Captain Picard vermerkt darin, dass er das Kommando dieses neuen Schiffes übernommen hat und sich auf dem Weg zu seiner ersten Mission befindet: dem Besuch und die damit verbundene Überprüfung der Raumstation Farpoint. Den Weg dorthin möchte Picard nutzen, um sich besser mit dem Schiff vertraut zu machen. Und so begleiten wir unseren Kapitän auf seinem Weg durch das Schiff bis hin zur Kommandobrücke.

Picards „Baby“ in Action (Foto: ©Paramount).

Nach ein klein wenig Small-Talk mit seiner neuen Crew geht plötzlich der Alarm los. Eine riesige Energiemauer baut sich vor der Enterprise auf. Picard geht auf Alarmstufe gelb und stoppt das Schiff. Von Zauberhand erscheint auf einmal ein Mann im Piratenkostüm auf der Brücke und erklärt Picard, dass sein Schiff doch lieber umkehren solle. Schließlich sei die Menschheit schon eindeutig zu weit in die Galaxis vorgedrungen. Picard akzeptiert diese Forderung aber nicht und möchte eine Begründung dafür hören. Unser Pirat outet sich daraufhin als das übernatürliches Wesen „Q“, das mit einem Fingerschnipsen sein Outfit ändern kann. Und mal schnell einen von Picards Offizieren schockgefriert. Das wiederum erzürnt Picard, der das brutale Verhalten des “Gastes“ anprangert.

Daraufhin muss sich Picard von Q einen Vortrag über die vielen Gräueltaten der Menschheit anhören und dass diese sich in all den Jahrhunderten ja nicht weiterentwickelt hätte. Und wenn Picard nicht mit dem Schiff sofort umkehren würde, wäre das sein Todesurteil. Drohungen hört aber ja keiner gerne und so möchten einige von Picards Offizieren gerne die Diskussion mit Gewalt beenden. Picard hält sie davon ab. Er setzt auf Diplomatie und beschuldigt seinerseits Q, hier das nicht lernfähige Wesen zu sein. Denn die Menschheit hätte sehr wohl viel dazugelernt. Was Picard auch mit Fakten untermauern könne. Das beeindruckt Q und er verschwindet wieder. Allerdings nicht ohne anzukündigen, bald wiederzukommen, um in einem passenderen Rahmen diese Diskussion fortzuführen. Nach einer kurzen Lagerbesprechung mit der Crew leitet Picard dann Maßnahmen in die Wege, um auf die Rückkehr des feindlich gesinnten Wesens besser vorbereitet zu sein. Und weist seine Crew darauf hin, dass es nun wohl richtig gefährlich werden wird.

Die Analyse:

“Der Weltraum – unendliche Weiten“ – wir beginnen mit berühmten Worten. Und einem feinen Unterschied. Während im Original das Intro von niemand geringerem als Captain Picard höchstpersönlich gesprochen wird, hat man sich bei der deutschen Synchronisation für eine neutrale Stimme entschieden. Ein Jammer, denn es ist durchaus passend, dass die einleitenden Worte aus dem Mund von Picard stammen. Denn schon bei dessen Charaktereinführung wird klar, dass gerade die Figur des Picard sich sehr stark an den Idealen der Serie orientiert. Eine Einführung, bei der anhand der Hauptfigur uns gleich einmal die Essenz der Serie vermittelt wird.

Fremde Welten entdecken und mutig ins Unbekannte aufbrechen – die einleitenden Worte des Intros setzen gleich einmal den Grundton für die Serie. Und für die Hauptfigur. Deren erster Auftritt ist dann auch einer der passendsten der ganzen Seriengeschichte. Wir hören Picards Logbucheintrag und seine Aussage, dass er nun einen Planeten besuchen wird, hinter dem die große Unendlichkeit der unerforschten Galaxis liegt. Dazu sieht man Picard aus dem Schatten heraustreten und mit faszinierten Augen hinaus ins Weltall blicken. Mit einer Mischung aus kindlicher Neugier und großem Respekt schaut Picard in das unbekannte große Nichts. Das Weltall als Sehnsuchtsort, voller Abenteuer und neuer Erfahrungen – in einem einzigen Bild wird hier das Grundmotiv der kompletten Serie widergespiegelt. Besser kann man nicht loslegen.

Ganz schön groß dieser Weltraum (Foto: ©Paramount).

Chef mit Herz
Ein bisschen Charakterarbeit und Einführung ist aber natürlich auch nötig, und so erzählt uns Picard in einem Voice-Over dann noch mehr über die Gründe seiner Mission. Und, dass er hier ja der Chef an Bord ist. Das ist nun eine relativ simple Art der Charakteretablierung. Gleichzeitig unterstreicht die Serie Picards hohe Position aber auch noch visuell. Und sozusagen im Vorübergehen. Denn während Picard durch das Schiff läuft stoppen die restlichen Crewmitglieder respektvoll und grüßen ihren Chef. Der wiederum nickt immer brav bestätigend zurück. Klingt banal, ist aber trotzdem eine wichtige Charakterzeichnung. Eine eher arrogantere Figur würde eventuell die Untergebenen ignorieren. Picard dagegen scheint ein anständiger Boss zu sein. Kleinigkeiten können eben entscheidend sein.

Angekommen auf der Brücke betont die Serie dann noch einmal die kindliche Begeisterung seiner Hauptfigur für die Welt um sie herum. Fasziniert beobachtet Picard das Treiben auf der Brücke und schwärmt im Voice-Over von der Größe und Komplexität des Schiffes. Das Kind im Manne sozusagen. Es folgt ein bisschen entspannter Smalltalk mit der Crew, der zeigt, dass die höchste Autorität auf dem Schiff ja doch ganz umgänglich ist. Ein wichtiger kleiner Baustein, um die Sympathiewerte von Picard in die Höhe zu treiben. Gleichermaßen ist die Serie sich durchaus bewusst, was für eine Figur sie hier etablieren möchte. So locker der Small-Talk auch begonnen hat, als der Androide Data unnötig ins Quatschen kommt beendet Picard das Gespräch auf deutliche Art und Weise. Nett sein ist ok, aber zu albern darf es nicht werden.

Ein bisschen gute Laune hält die Mitarbeitermotivation hoch (Foto: ©Paramount).

Immer einen Schritt voraus
Autorität und menschliche Wärme – das geht also. Der Grundstein für die Figur ist gelegt und so kann nun die nächste Stufe zünden. Durch die plötzlich vor dem Schiff erscheinende Energiemauer wird Picard gleich mal eine richtige Herausforderung vorgesetzt – die perfekte Bühne um dessen Charakterzüge weiter herauszuarbeiten. So reagiert Picard auf die Gefahr erst einmal mit klaren und deutlichen Anweisungen – der klassische Leader eben. Und bekommt dann mit dem mysteriösen Q einen Gegenspieler serviert, der mächtiger als er selbst ist. Auf einmal bekommt Picard Befehle erteilt. Es entwickelt sich ein kleines Alphatierduell, bei dem der gute Jean-Luc immer stärkere Konturen verpasst bekommt.

Das liegt auch an der Körpersprache. Man achte die nächsten Minuten mal darauf, wie Picard physisch damit umgeht, wenn sich ein Konflikt anbahnt. Er weicht nie zurück. Stattdessen geht er immer aktiv auf seinen Gegenüber zu. Als erstes ist dies bei Q zu beobachten, dem Picard entgegentritt, um von ihm eine Erklärung einzufordern. Als dieser seine Muskeln spielen läßt und mal eben einen der Offiziere schockgefriert, übernimmt Picard die Verantwortung und gibt nicht nur die Anweisung, die Krankenstation zu benachrichtigen, sondern geht direkt wieder mehrere Schritte auf Q zu, um diesen mit dessen Verhalten zu konfrontieren. Hier hat jemand keine Angst – selbst im Angesicht eines scheinbar übermächtigen Gegenspielers.

Die Crew in Eiszapfen zu verwandeln ist uncool. Picard konfrontiert Q (Foto: ©Paramount).

Wir kommen in Frieden
Sollen wir mutig sein und diesem mächtigen Feind Contra geben? Diese Frage stellt Picard dann auch noch einmal in seinem Voice-Over und beantwortet diese aber auch gleich, da er sich nun auf ein Wortgefecht mit Q einläßt. Mit Argumenten statt mit Fäusten überzeugen – eine weitere typische Grundphilosophie von „Star Trek“, die auch hier mittels des zentralen Charakters etabliert wird. Das geht soweit, dass sich Picard dann auch der eigenen Sicherheitschefin entgegenstellt, die Q gerne mit Gewalt ausschalten möchte. Auch hier wieder das gleiche „Vorgehen“: Die Sicherheitschefin geht aufgeregt auf den Captain zu, aber der weicht nicht zurück, sondern geht ihr mit einem ganz entschlossenen Schritt entgegen. Um sie dann in die Schranken zu weisen. Genauso wie gegenüber Q, der die Menschheit der Barbarei bezichtigt. „Most certainly I deny it“ ist die klare Antwort von Picard.

Es ist ein faszinierender Alphatest auf mehreren Ebenen, der sich hier abspielt und durch den die Serie die Figur des Picard auf ziemlich eindrucksvolle Art und Weise als starken Leader etabliert. Der dann sogar den Spieß umdreht und Q selbst angreift und beschuldigt, selbst nichts dazu lernen zu wollen. Womit wir wieder bei einem klassischen „Star Trek“-Element angelangt sind. Offen für Neues zu sein, diese Trekkie-Philosophie wird von Picard hier voller Leidenschaft nach außen vertreten. Koste es was es wolle.

Jetzt gibts saures. Picard schwört die Truppe ein (Foto: ©Paramount).

Never give up, never surrender
Die Entschlossenheit von Picard für seine Prinzipien einzustehen wird am Ende der Szene dann noch auf die Spitze getrieben. Nach kleiner Beratungspause gibt er Anweisungen, wie nun vorgegangen werden muss, um dieses Wesen bei der nächsten Begegnung auszutricksen. Und gleichzeitig schwört er auch noch das Team ein. Es ist die klassische große Rede vor dem Kampf, die wohl eindrücklichste Art und Weise, um einen Leader zu etablieren. Und so wird auch hier schnell klar: Für Picard ist Kapitulation keine Option. Das ist ja auch kein Kindergeburtstag hier draußen im All. Interessant ist aber nicht nur diese große Rede von Picard. Sondern auch die Art und Weise, wie Picard zu seiner Entscheidung kommt. Nachdem einige Crewmitglieder ihn auffordern in den Kampf zu ziehen, hört er sich erst noch die Meinung der telepathisch begabten und einfühlsameren Troi an. Auch hier agiert er ganz im „Star Trek“-Sinne. Erst mal alle Argumente und vor allem die Stimme der Vernunft anhören.

Es ist eine extreme Situation, mit der hier unsere Hauptfigur gleich in ihrer ersten Szene konfrontiert wird. Und gerade das macht diese Einführung so unglaublich ertragreich, da wir von ihr eben die ganze Palette der Gefühle serviert bekommen. Von der kindlichen Neugier auf das Abenteuer bis hin zu entschlossenen Leaderqualitäten. Und all das immer im Sinne der Werte, welche bereits die Vorgängerserie und damit das ganze „Star Trek“-Universum ausgemacht haben. Faszination für das Unbekannte und die Suche nach einer möglichst friedlichen Lösung und Koexistenz mit der Welt dort draußen. Picard als Stellvertreter für eine ganze Philosophie – etabliert in nur wenigen Minuten. Faszinierend.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert