Film

Quint – Der weiße Hai

Eine Seefahrt, die ist lustig. Wenn einem nicht gerade ein Hai das Boot zerbeißt. Ist mindestens genauso schlecht drauf wie das Tier, welches er jagen soll: Quint.

Der weiße Hai (1975) – Die Story

Drehbuch: Peter Benchley, Carl Gottlieb
Im lauschigen Badeort Amity Island sorgen mysteriöse Haiattacken für Aufregung. Der lokale Polizeichef Brody drängt zur Aufklärung. Der Bürgermeister dagegen warnt vor Panikmache. Bitte doch den Hai und nicht die Touristen vertreiben. Zusammen mit dem Meeresbiologen Hooper und dem erfahrenen Seemann Quint (Robert Shaw), einem passionierten Hai-Jäger, macht sich Brody auf die Jagd nach dem blutrünstigen Killer.

 

Die Einführung von Quint

Nach einer wiederholt blutigen Haiattacke, der ein Kind zum Opfer fiel, verlangen die besorgten Bürger von Amity Island Aufklärung. Und Lösungen, denn der Ort braucht die Touristen. In einer Sitzung können aber weder der Bürgermeister noch Polizeichef Brody die aufgebrachte Meute beruhigen. Da ergreift der alte Haudegen Quint das Wort. Er wird den Hai erlegen. Für 10.000 Dollar. Und es soll bloß keiner auf die Idee kommen ihm helfen zu wollen. Nachdenklich hören Brody und der Bürgermeister Quint zu. Man erwidert, das Angebot in Erwägung zu ziehen. Lächelnd verabschiedet sich Quint und verläßt den Raum.

Die komplette Einführung von Quint hier im Video

Die Analyse

Nicht immer sind die Hauptfiguren auch die erinnerungswürdigsten Charaktere eines Filmes. Der Protagonist ist ja meistens der zentrale Identifikationsfaktor für den Zuschauer. Da möchte man durch eine extreme Darstellung das Band zum Publikum doch eher ungern auf die Probe stellen. Aber in der zweiten Reihe, da kann man sich austoben. Oft sind es also gerade die Nebenfiguren, die in etwas grelleren Charakterfarben gestrichen werden. Klassisches Beispiel ist hier der Antagonist im Action-Kino. Die Konsequenz aus all dem: Oft legt eine Nebenfigur auch den denkwürdigsten ersten Auftritt hin.

Beispiel gefällig? Wie wäre es mit unserem notorisch grummeligen Haijäger Quint in „Der weiße Hai“. Man muss schon sehr abgebrüht sein, um von dessen erstem Auftritt nicht in den Bann gezogen zu werden. Spielberg und sein Team liefern uns hier ein wunderschönes Beispiel dafür, wie man die Aufmerksamkeit eines ganzen Kinos auf eine einzige Figur lenken kann. Und legt dabei parallel auch schon den ersten Grundstein für eine wundervolle Charaktereinführung.

Der Hai stammt aus der Kreidezeit. Quint bringt alle zum Verstummen (Foto: ©Universal Pictures Germany GmbH).

Bühne frei für die Nebenfigur
Wie so oft bei Figureneinführungen erzeugt man dafür einen starken Kontrast. Wenn sich unsere besorgten Bürger in ihrer gemeinsamen Sitzung über das weitere Vorgehen im Hinblick auf den Monsterhai streiten, dann ist das vor allem laut und chaotisch. All das wird jäh unterbrochen, als Quint mit seinen Fingernägeln über eine Kreidetafel zieht. Quint gelingt so mit einer Handbewegung, was keiner vorher geschafft hat: die Meute zum verstummen zu bringen. Es ist klar: die Bühne gehört ab jetzt alleine diesem Mann. Wobei wir, wo wir schon bei beliebten Techniken der Charaktereinführung sind, das Gesicht von Quint ja erst ein paar Sekunden später gezeigt bekommen. Neugier schaffen, und so schon im Vorfeld die Figur etwas überhöhen, das zieht einfach immer.

Durch diesen krassen Stimmungswechsel hat die Figur jetzt also die komplette Aufmerksamkeit des Publikums sicher. Aber was macht der Film jetzt damit? Er nutzt das Szenario dafür, Quint weiter geschickt auf einen Sockel zu stellen. Kein Einziger im Raum traut sich den nun folgenden Vortrag von Quint zu kommentieren, geschweige denn ihn gar zu unterbrechen. Erst am Ende gibt der Bürgermeister zögerlich ein kurzes Statement dazu ab. All das macht deutlich, wer hier gerade die Hosen anhat. Es ist eine Mischung aus Respekt und Furcht, den die Bewohner Quint gegenüber zeigen. Und sie stehen dabei gewissermaßen auch stellvertretend für den Zuschauer, der gleichermaßen fasziniert ist. Und wenn Quint am Ende den Raum verläßt, schauen nicht nur die Bürger von Amity Island ihm sprachlos hinterher.

Erst mal ein paar Chips futtern. Und dann eine coole Rede halten (Foto: ©Universal Pictures Germany GmbH).

Charakteraufbau durch Kontrast
Natürlich ist aber auch das Verhalten der Figur selbst entscheidend. Im Gegensatz zum Hühnerhaufen neben ihm sitzt Quint einfach nur ruhig auf einem Stuhl. Und knabbert genüßlich an seinen Chips. Ein nettes kleines Detail, was im Laufe seiner „Predigt“ immer wieder wirkungsvoll eingesetzt wird. Am deutlichsten zu erkennen, als Quint davon spricht, dass der Hai hier jeden im Raum genüßlich verspeisen könnte. Sagt es, und steckt sich selbst grinsend einen Chip in den Mund. Willkommen in der Rubrik „Mann, ist das ne coole Sau“. Dazu gesellt sich dann auch noch die kleine Zeichnung an der Tafel. Wo Quint einfach mal einen Hai gemalt hat, der gerade ein Opfer verschlingt. Knallhart, der Junge.

Die Wirkung von all dem? Quint wirkt souverän und cool. Also genau das Gegenteil von seinem Umfeld. Gleichzeitig strahlt er aber auch noch etwas anderes aus. Er wirkt furchteinflößend. Erreicht wird das durch seine nüchterne Analyse der Situation, den schonungslos ehrlichen Worten über die Gefahren der Haijagd und der ruhigen Feststellung, dass er dieses Viech erledigen wird. Das er jede Menge Selbstbewusstsein hat wird durch seine allerersten Worte ebenfalls schnell deutlich. „Ihr kennt mich alle und wisst was ich mache“, schallt es den Leuten gleich als erstes entgegen. Und nach dem er klar gemacht hat, dass er diesen Hai erledigen wird, fordert er für sich auch direkt eine deutlich höhere Belohnung als bisher versprochen. Und keiner erhebt sein Wort dagegen.

Wehe irgendeiner hilft mir. Quint ist eindeutig der Einzelgängertyp (Foto: ©Universal Pictures Germany GmbH).

Die Faszination des Outsiders
Natürlich zahlt all das schon auf das starke Charakterkonto von Quint ein und sorgt dafür, dass man als Zuschauer von dieser Figur fasziniert ist. Es gibt aber noch ein weiteres Mittel, welches das Interesse des Publikums weiter befeuert. Quint tickt nicht nur anders wie die Leute, er wird auch als Einzelgänger porträtiert. Auf keinen Fall möchte er „Freiwillige oder Helfer“ bei seiner Aufgabe haben. Für ihn gibt es schon zu viele „Kapitäne auf dieser Insel“. In Kombination mit den verschüchternden Bürgern wird hier deutlich: Quint ist nicht integriert in diese Gemeinschaft, er steht außerhalb. Und jemand, der sein eigenes Ding macht, wirkt natürlich noch mal interessanter.

So erinnert das ganze Szenario dann etwas an einen alten raubeinigen Seemann, der unwissenden Kindern eine gruselige Gutenachtgeschichte erzählt. Und wir als Publikum hören zu, fasziniert von diese so schillernd wirkenden Figur. Empfindet man Sympathie oder Empathie für Quint? Eher wenig. Aber das ist nicht schlimm, weil seine Rolle in der Geschichte eben nicht die einer Identifikationsfigur ist. Sondern die einer schillernden Nebenfigur. Und so macht die Einführung von Quint alles richtig. Sie sorgt für einen bunten Farbklecks in der Geschichte in dem sie Quint als faszinierend-andersartigen Charakter etabliert.

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