Haie, Krokodile, Schlangen, Spinnen – und jetzt auch noch mordende Rockerbanden. Sollte sich fragen, ob er seinen Sohn wirklich in Australien aufziehen möchte: Max Rockatansky.
Mad Max (1979) – Die Story
Drehbuch: James McCausland, George Miller
In Down Under geht es in der Zukunft drunter und drüber. Gewalttätige Rockerbanden verbreiten Angst und Schrecken, genauso wie die nicht minder brutale Polizei auf der anderen Seite. Als der berüchtigte Bandenchef Nightrider bei einer blutigen Verfolgungsjagd mit dem Polizisten Max Rockatansky (Mel Gibson) das Zeitliche segnet, schwören dessen Gefolgsleute Rache. Da weder die Kollegen noch die Familie von Max vor der Gang sicher sind, kommt es zum unweigerlichen Showdown.
Die Einführung von Max Rockatansky
Ein irrer Polizistenmörder, der sogenannte Nightrider, rast mit seiner mindestens genauso durchgeknallten Freundin in einem gestohlenen Wagen durch die australische Wüste. Mehrere Polizeieinheiten werden über Funk angewiesen, die Wahnsinnigen zu stoppen. Hastig stürzen einige Highway-Cops in ihre Autos oder springen auf ihre Motorräder. Nur einer läßt sich Zeit. Sehr viel Zeit. Während die Verfolgungsjagd bereits voll im Gange ist, repariert der Cop Max Rockatansky erst mal gemütlich sein Polizeiauto, wäscht sich die Hände und richtet genüßlich sein Outfit.
Derweil hinterlässt unser Nightrider eine Spur der Verwüstung. Und kann einen Cop nach dem anderen außer Gefecht setzen. Informiert über den Misserfolg der Kollegen startet dann aber Max seinen Motor und rast, ohne mit der Wimper zu zucken, mit seinem Wagen auf den Nightrider zu. Unser böser Bube verliert das Psychoduell und weicht in letzter Sekunde panisch aus. Und setzt dann, durch Todesängste deutlich traumatisiert, seine Flucht weinend fort. Die Ängste sind berechtigt, denn hinten klebt Max schon wieder an der Stoßstange. Und bedrängt den Nightrider solange, bis dieser ein Hindernis zu spät erkennt, sich mit seinem Wagen überschlägt und stirbt.
Die Analyse
Gelungene Charaktereinführung ist keine Sache des Geldes. Wir können auch etwas von einem 40 Jahre alten australischen B-Movie lernen. Gilt natürlich heute als Klassiker, der gute „Mad Max“. Die überzeugende Einführung des Helden hat dabei sicher auch ihren Anteil daran. Das ist nämlich ganz großes Kino, wie hier in der ersten Sequenz Stück für Stück der große Auftritt unseres Protagonisten erst angeteasert und dann umgesetzt wird. Dabei treffen wir wieder auf zwei ganz klassische Werkzeuge der Charaktereinführung: das Abheben der Figur vom restlichen Umfeld (Kontrast) und das Verstecken des Gesichts unseres Helden vor dem Zuschauer (Mystifizierung).
Wie man das mit dem Kontrast hinbekommt? Was gibt es schöneres, als die gute alte Parallelmontage. Der größte Teil der Einführung von Max besteht aus einer wilden Verfolgungsjagd, die immer wieder unterbrochen wird von einer kleinen Schalte hin zu unserer Hauptfigur. Die gerade vollkommen unaufgeregt an ihrem Auto herumwerkelt, während die Kollegen mit Puls 180 einen Polizistenmörder jagen. Die Botschaft ist klar: Max ist eine coole Sau. Gerade im Vergleich zu seinen Kollegen.
Die Ruhe weg
Wenn Max Funksprüche empfängt, nimmt er diese scheinbar emotionslos war. Seine Kollegen dagegen sprinten aufgeregt zum Wagen. Oder, wie später der Kollege Goose, springen dabei gar theatralisch, und mit Burger im Mund, über die Motorhauben von Autos. High Energy ist hier angesagt – nur Max scheint das alles nicht so zu jucken. Er repariert gelassen sein Auto, richtet ruhig sein Outfit, zieht gemächlich die Handschuhe an und setzt entspannt die Sonnenbrille auf. Und während wenige Kilometer weiter eine irre Verfolgungsjagd stattfindet, wäscht sich Max auch noch ganz seelenruhig die Hände. Körperpflege hat schließlich Vorrang. So machen das die coolen Jungs.
Man achte dabei mal genau auf die Art, wie die Eröffnungssequenz von „Mad Max“ inszeniert und geschnitten ist. Der Kontrast zwischen den wilden Cops und unserer „unterpulsigen“ Hauptfigur wird nämlich auf unterschiedlichen Ebenen herausgearbeitet. So bekommen wir eher schnelle Schnitte bei der Verfolgungsjagd, weniger Schnitte und auch ruhigere Kameraeinstellungen, wenn wir wieder bei Max sind. Inhaltliche Anschlüsse gibt es ebenfalls. So wird direkt von einem Cop, der gerade zu seinem Auto rennt, auf die Beine von Max geschnitten. Die sich deutlich langsamer in Richtung seines Autos begeben. All das unterstreicht noch einmal, dass wir es hier mit Chaos versus Kontrolle zu tun haben. Während die Kollegen wie aufgescheuchte Hühner sich ins Getümmel stürzen, ist Max hochfokussiert und läßt sich nicht aus der Ruhe bringen.
Vernunft im Irrenhaus
Hier gibt es aber noch mehr zu entdecken als hektischer Cop versus entspannter Cop. Es wird bereits auch schon eine moralische Ebene mit eingeflochten. Die Kollegen von Max werden nämlich gleichzeitig auch als etwas irre Charaktere gezeichnet. So beginnt der Film mit einer Einstellung, in der einer von Max Kollegen mit einer Waffe auf ein Liebespärchen beim Sex zielt. Kranker Junge. Der durch sein ständiges Fluchen später auch keine weiteren Sympathiepunkte beim Publikum sammeln kann. Und der bei der Verfolgungsjagd den Hinweis seines Kollegen ignoriert, dass er mit seiner Fahrweise ja unschuldige Menschen gefährden würde.
Nicht ganz so extrem, aber ähnlich, verhält es sich mit Goose, einem weiteren Kollegen von Max. Ihn treffen wir als erstes in einem Imbiss, wo er seinem Gegenüber mit einer blutigen Polizeigeschichte den Appetit verdirbt. Auch er kommt dadurch als nicht ganz normal beim Publikum rüber. Von dem komplett wahnsinnigen Bösewicht Nightrider wollen wir hier ja gar nicht erst reden. In diesem Umfeld nehmen wir den ruhigen Max natürlich automatisch als die mit Abstand vernünftigste Figur wahr. Was gleich mal für Sympathiepunkte beim Publikum sorgt. Das wird später übrigens konsequent weitergeführt, denn nach der Einführung präsentiert man uns dann Max als liebevollen Familienvater bei Mutter und Kind.
Ein Mann für die wichtigen Fälle
Parallel zu all dem wird die Figur des Max aber auch noch geschickt weiter überhöht. Und da wären wir dann wieder bei unserem ach so beliebten Stilmittel der Mystifizierung. Erst im allerletzten Moment der Einführung, nach dem tödlichen Crash des Bösewichts, bekommen wir das Gesicht von Max präsentiert. Davor wird minutenlang geschickt dadurch Spannung aufgebaut, dass wir dessen Gesichtszüge stets vorenthalten bekommen. Hände, Schuhe, Profilansicht, Teilausschnitte im Spiegel oder eine nahe Kameraeinstellung von dessen Sonnenbrille – der Film spielt hier sehr lange ein visuelles Katz-und-Maus-Spiel mit dem Zuschauer. Ein absolutes Paradebeispiel für dieses Stilmittel, dass in Mad Max so konsequent wie in kaum einem anderen Film umgesetzt wird.
Der Film macht aber noch etwas richtig gut. Nämlich einen Helden genau dann und so in die Handlung eingreifen zu lassen, wie wir es von ihm erwarten. Erst als alle anderen gescheitert sind, betritt Max das Spielfeld. Es ist sein Kollege Goose, der Max um Hilfe ruft. Eben mit dem Hinweis, dass alle anderen jetzt aus dem Spiel sind. Parallel dazu kommt auch noch der „Hilferuf“ des Bösewichts. Das sind ja alles Anfänger, er wäre jetzt bereit für den Besten von der Polizeitruppe. Und es ist auch kein Zufall, dass Max sich genau dann bereit macht für seinen Einsatz, als über Funk kommuniziert wird, dass der Nightrider nun in Richtung einer bevölkerungsreichen Stadt fährt. Die Kollegen außer Gefecht, der Einsatz nun hoch genug und der Bösewicht auf der Suche nach seinem Endgegner: genau das ist die Zeit des Helden. Und eben nicht früher.
Kampf der Psyche
Mad Max zelebriert dabei geradezu den Moment, in dem unser Held wirklich aktiv wird. Als ihn die Meldung erreicht, dass der Nightrider in Richtung Stadt unterwegs ist, wird sein Blick plötzlich ernst. Jetzt hat diese Sache seine vollkommene Aufmerksamkeit. Und nun wird jeder weitere Schritt von Max cineastisch zelebriert. Motor einschalten, Gang einlegen, Handschuhe noch einmal richten. Der Film läßt sich damit Zeit und sagt uns so durch die Blume: „Jetzt gehts erst richtig los“. Kombiniert wird das Ganze auch noch einmal geschickt mit einem Musikwechsel. Auch hier wechseln wir sozusagen auf ein neues Level. Gleichzeitig wird das Thema Kontrast auch nochmal aufgegriffen. Denn im Gegensatz zu seinen Kollegen läßt man Max nun ganz langsam und entspannt mit dem Auto losfahren. Er hat immer noch die absolute Kontrolle.
Max ist also der Fels in der Brandung. Und dieses Bild wird nun noch einmal weiter gesteigert. Es ist dabei das klassische Vorgehen. Im weiteren Verlauf der Einführung werden die zentralen Eigenschaften der Figur immer weiter verstärkt. Hier geschieht dies durch das Duell mit dem Nightrider. Während die anderen Kollegen hinter dem Nightrider hergefahren sind, wartet Max, dass dieser zu ihm kommt. Ein Zeichen von Stärke. Und als dieser kommt, fährt Max dann auch noch vollkommen entspannt direkt auf den Jungen zu. Der natürlich zuerst ausweicht. Und dadurch, dass er gegen diesen Irren das Psychoduell gewinnt, ist die Figur des Max nun endgültig im Coolness-Himmel angekommen. Besser gehts nicht.
Schwächen verboten
Dieses Duell ist der spannungsgeladene Höhepunkt von Max Charaktereinführung. Was folgt ist der endgültige Sieg des Helden. Das geschieht einmal dadurch, dass er den Nightrider in der anschließenden Verfolgungsjagd in den Tod treibt. Was übrigens gut zeigt, wie zäh unser Held ist. Max gibt niemals auf. Eine weitere wichtige Heldeneigenschaft. Aber nicht nur physisch gewinnt Max. Auch die Psycho siegt. Nicht nur dadurch, dass der Nightrider ihm ausweicht. Sondern auch dadurch, dass der vorher so coole Bösewicht anschließend unter Tränen Todesängste bekommt. Eine weitere Schippe drauf auf den Coolness-Faktor unseres Helden. Max bringt selbst den größten Psychopathen an seine psychischen Grenzen.
Und so haben wir uns dann am Ende auch endlich den Blick auf unseren Helden verdient. Max reißt sich nach dem Tod des Nightrider die Brille vom Gesicht und wir bekommen unseren Helden in seiner ganzen Pracht serviert. Ein Held, der kunstvoll Stück für Stück als solcher etabliert wurde. Und der mit jeder Sekunde noch stärker wirkt und keine einzige Schwäche gezeigt hat. Eine Herangehensweise, die man im modernen Kino nicht mehr so oft antrifft. Man mag das jetzt als ein Mangel an Subtilität abtun. Aber damit wäre „Mad Max“ Unrecht getan. Denn nicht nur ist die Einführung vor allem in Punkto Spannungsaufbau richtig gut gelungen. Es ist ja auch noch so, dass genau dieses Duell mit dem Nightrider für Max noch katastrophale Folgen haben wird. Und die Coolness unserer Figur bald auf eine harte Probe gestellt wird. Gerade in Sachen Einführung kann man von diesem B-Movie also jede Menge lernen.