Serie

Enoch „Nucky“ Thompson – Boardwalk Empire

Prohibition macht die einen nüchtern. Die anderen reich. Verteilt morgens Geld für einen guten Zweck und abends Kugeln für die Konkurrenz: Enoch „Nucky“ Thompson.

Boardwalk Empire (2010 – 2014) – Die Story

Drehbuch Episode 1: Terence Winter
Der Stadtkämmerer von Atlantic City, Enoch „Nucky“ Thompson (Steve Buscemi), gibt nach außen gerne den charmanten Moralapostel. Nutzt den Erlass der Prohibition im Jahre 1920 aber für ganz andere Zwecke. Nämlich, um mit dem Verkauf von illegal importiertem Alkohol sich und seinen Freunden die Taschen zu füllen. Will die Konkurrenz aber auch. Zeit für eine ordentliche Portion Skrupellosigkeit, Herr Stadtkämmerer.

Die Einführung von Enoch „Nucky“ Thompson

Das ist ja ein Netter. Denkt sich die Frauenrechtsbewegung, die Enoch Thompson als Redner zu ihrer Versammlung eingeladen hat. Nucky gratuliert den Damen höflich zur kommenden Einführung des Frauenwahlrechts und schwärmt vom anstehenden gesetzlichen Alkoholverbot. Passend dazu rührt er den Saal zu Tränen, als er die Geschichte seines alkoholkranken Vaters erzählt. Kaum raus aus dem Saal gibts für Nucky aber erstmal einen Flachmann. Und eine Lebensweisheit für den Assistenten und Kleinganoven Jimmy: Eine gute Story ist alles in der Politik.

Mit einem Haufen genauso hochrangiger wie trinkfester Stadtoberhäupter stößt Nucky dann im Hinterzimmer eines Clubs auf die gleich in Kraft tretende Prohibition an. Und erklärt stolz, dass er aktuell einen Deal einfädelt, der nicht nur die Gläser, sondern auch die Taschen der Anwesenden füllen wird. Instruktionen zur Umsetzung, inklusive personeller Umstrukturierungen, liefert er auch noch gratis dazu. Kann also ruhig kommen, diese Prohibition.

Enoch "Nucky" Thompson in "Boardwalk Empire" - Zitat

Die Analyse:

Wir tricksen wieder einmal. Und nehmen uns bei der Einführung von Enoch „Nucky“ Thompson etwas mehr als nur die erste Szene vor. Kann aber dadurch legitimiert werden, dass die beiden Einführungssequenzen so schön zueinander passen. Und wieder einmal zeigen, wie gerne Figuren durch den Einsatz von möglichst extremen Kontrasten definiert werden.

Zuerst bekommen wir in „Boardwalk Empire“ unseren Protagonisten in der Rolle des charismatischen Politikers präsentiert. Nucky wird auf dem Treffen der Frauenrechtsbewegung als Ehrenmann angekündigt. Und er zeigt sich von seiner besten Seite. Als genauso eloquenter wie charismatischer Redner, der die Herzen seiner potentiellen weiblichen Wählerschaft ohne Probleme für sich gewinnen kann.

Enoch "Nucky" Thompson in "Boardwalk Empire"
Zur Not frisst der Teufel Fliegen. Oder spricht zur Frauenbewegung (Foto: ©Warner Home Video).

Die Fassade bröckelt
Ein liebevolles Dankeschön an seine Vorrednerin, eine bewegende Geschichte über ein traumatisches Kindheitserlebnis für das Publikum. Nucky zieht alle Register und den Saal in seinen Bann. Der Applaus ist ihm spätestens dann sicher, als er am Schluss die Einführung der Prohibition und das neue Frauenwahlrecht lobt. Und damit genau das ausspricht, was das Publikum im Saal hören möchte.

So baut die Folge Nucky also erst einmal als scheinbar ehrlich-liberalen Politiker auf, der sich aus vollem Herzen für die Belange der weiblichen Wählerschaft einsetzt. Eine Maske, die allerdings nun langsam zu bröckeln beginnt. Im Flur wartet der junge Jimmy nämlich seit ein paar Minuten schon auf seinen Einsatz, um im richtigen Moment Nucky aus den „Fängen“ der Damen zu befreien. Jimmy betritt den Saal und flüstert Nucky etwas ins Ohr. Unter dem Vorwand, von Jimmy die Nachricht über eine dringende Amtsangelegenheit erhalten zu haben, verabschiedet sich unser beliebter Stadtkämmerer. Natürlich nicht, ohne den Damen noch mal für ihre ehrliche Unterstützung zu danken.

Enoch "Nucky" Thompson in "Boardwalk Empire"
Zeit für eine rührende Geschichte. Nucky hat sich in Schale geworfen (Foto: ©Warner Home Video).

Fake Charakternews
Auf dem Weg zum Auto reißt Nucky sich dann gegenüber Jimmy die Moral-Maske vom Gesicht. Die erste Regel der Politik, so Nucky: „Never let the truth get in the way of a good story“. Sagt es, und trinkt aus der Schnapsflasche. Womit sich dann auch der ganze Plan dieser Charaktereinführung offenbart.

Erst wird die Figur als scheinbar möglichst ehrenhafter Protagonist eingeführt, um dann alles als eine große Show zu entlarven. Womit der moralische Kompass der Figur neu beleuchtet wird und der Zuschauer die Figur, gerade durch die starke Fallhöhe von Moralapostel hin zu schmierigem Politiker, nun umso verlogener wahrnimmt. Adretten Damen Lügengeschichten zu erzählen, und dafür sogar eigene Kindheitserinnerungen zu erfinden, kommt nun einmal nie gut an.

Enoch "Nucky" Thompson in "Boardwalk Empire"
Erst mal ein Drink. Nucky läßt die Fassade fallen (Foto: ©Warner Home Video).

Endlich unter Männern
Hier könnte die Analyse nun bereits aufhören (Fokus auf erste Szene und so). Aber es wäre schade nicht doch noch kurz auch auf die Folgeszene einzugehen. In der sich Nucky auf den Weg zu seinem Club macht, um dort mit den Mächtigen dieser Stadt Business zu reden. Der dort stattfindende Hinterzimmertalk steht in wundervollem Kontrast zur vorangegangenen Szene. Sprach Nucky dort nur zu Frauen, sitzen nun hier nur Männer am Tisch. Ging es bei den Damen noch gesittet zu, wird hier gesoffen, geraucht und geflucht. Wurden von der Frauenrechtsbewegung neue Gesetze gefeiert, werden diese hier nun lustvoll gebrochen.

Extremer könnten die Unterschiede nicht sein und so dürfen diese beiden Szenen eigentlich als ein eigener kleiner Einführungsbogen verstanden werden. Zusätzlich wird in der Männerrunde Nucky auch noch ganz geschickt als Alphatier und Rädelsführer etabliert. Er erläutert der Runde genau, wie sie das System der Prohibition austricksen werden und dabei richtig Schotter verdienen. Dabei wird er eindeutig als der stärkste Mann der Gruppe etabliert.

Enoch "Nucky" Thompson in "Boardwalk Empire"
Hier darf ich Mann sein. Nucky und seine Testosteronrunde (Foto: ©Warner Home Video).

Vom Paulus zum Saulus
Nucky ist derjenige, der die Rede einläutet und hält. Obwohl ja der richtige Bürgermeister auch am Tisch sitzt. Nucky ist auch derjenige, der die Aufgaben in diesem neuen „Alkoholsyndikat“ verteilt. Und der Witze über die Polizei macht. Nichts kann ihn erschrecken – schon gar nicht das Gesetz. Womit diese zweite Sequenz dann den Faden von der vorherigen aufnimmt, das Schmierentheater von Nucky aber noch einmal auf ein ganz neues Level hebt. Und gerade weil der Kontrast zum Beginn eben so stark ist, wirkt die Figur nun erst so richtig korrupt. Vom weißen Engel zum schmutzigen Teufel – so kann Charaktereinführung also auch aussehen.

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