Film

Winnetou und Old Shatterhand – Der Schatz im Silbersee

Manchen Hochstaplern hört man einfach gerne zu. Vor allem, wenn sie für unvergessliche Kindheitserinnerungen sorgen. Packen für Karl May und uns nur zu gerne Silberbüchse und Henrystutzen aus: Winnetou und Old Shatterhand.

Der Schatz im Silbersee (1962) – Die Story

Drehbuch: Harald G. Petersson
Der Bandit Cornel Brinkley ermordet mit seiner Bande hinterrücks den Vater des jungen Fred Engel, um in den Besitz einer Schatzkarte zu kommen. Fred macht sich auf die Suche nach den Mördern und trifft dabei auf den Indianerhäuptling Winnetou (Pierre Brice) und dessen Blutsbruder Old Shatterhand (Lex Barker). Diese haben ebenfalls von dem Verbrechen Wind bekommen und möchten, im Namen der Gerechtigkeit, Fred bei dessen Suche unterstützen.

 

Die Einführung von Winnetou und Old Shatterhand

Da reiten sie, die Blutsbrüder Old Shatterhand und Winnetou. Begleitet von einem Erzähler, der uns ein wenig Vorgeschichte zu den beiden Recken kundtut. Und dem Zuschauer ein grandioses Abenteuer verspricht. Bevor wir nach diesem kurzen Intro aber zu den zwei Helden zurückkehren wird genau dieses Abenteuer überhaupt erst einmal in Gang gesetzt. Der fiese Cornel Brinkley raubt mit seiner Gang eine Kutsche aus und hinterläßt keine Überlebenden. Die herrenlose Kutsche kommt anschließend im kleinen Örtchen Tulsa an. Zum Leidwesen des jungen Fred, der in der Kutsche seinen von Brinkley ermordeten Vater findet und direkt Rache schwört.

Winnetou und Old Shatterhand in „Der Schatz im Silbersee“ - Zitat

Derweil treffen Winnetou und Old Shatterhand am Tatort ein und analysieren die dortigen Spuren. Dank ein bisschen Kombinationsgabe können sie das Geschehen rekonstruieren und entdecken schließlich die Leichen der beiden Fahrer. Die Schlussfolgerung: Ein Toter muss noch immer im verschwundenen Wagen liegen, während die Mörder in die andere Richtung unterwegs sind. Winnetou entscheidet, dass er den Mördern folgen wird während sich Old Shatterhand in Richtung Tulsa aufmachen soll. Und so trennen sich erst einmal die Wege der beiden Blutsbrüder…

Winnetou und Old Shatterhand in „Der Schatz im Silbersee“ - Zitat

Die Analyse

Man kann es langsam angehen mit der Charaktereinführung. Oder direkt zur Sache kommen. Zum Beispiel mit einer großen Nahaufnahme der beiden zentralen Protagonisten. Und einem Erzähler, der auf nicht gerade kreative Weise drüber plaudert, wen wir denn gerade hier im Bild sehen. Inklusive ein bisschen oberflächlicher Charakterbeschreibung. Anstatt am praktischen Beispiel zu erleben, dass wir es hier mit Helden zu tun haben, bekommen wir es vom Erzähler einfach gesagt: “Nun sehen wir sie endlich von Angesicht zu Angesicht – die schon fast legendären Blutsbrüder Old Shatterhand und Winnetou“.

So plakativ und gar nicht visuell geht es dann auch weiter. Mit einem Erzähler, der noch einmal die Heldenhaftigkeit der Protagonisten lobt und uns auch etwas über deren Motivation und Hintergrund erzählt. So spricht er über „den weißen Mann, der über das große Wasser kam, um im Wilden Westen eine neue Heimat zu finden…“ und „den letzten Häuptling der Apatschen, der bedingungslos sein Leben einsetzt, wenn es gilt dem Recht zum Siege zu verhelfen“. Als ob das aber noch nicht blumig genug klingt, fügt er bei Winnetou noch hinzu: “den aber bereits die Tragik seiner sich im Todeskampf noch einmal aufbäumenden Rasse überschattet“.

Winnetou und Old Shatterhand in „Der Schatz im Silbersee“
Seite an Seite, wie es sich für Blutsbrüder gehört (Foto: ©Leonine).

Ein Erzähler der vielen Worte
Puh… das klingt schon eher nach banaler Groschen-Literatur als packender filmischer Einführung. Klar, so kann man es natürlich machen und in gewisser Weise fängt man den Geist der ja eher simpleren Buchvorlage damit auch ein. Aber eine gehörige Portion Faulheit und fehlenden Schwung darf man den Machern durchaus vorwerfen, auch wenn der Film in einer konservativeren Zeit entstanden ist. Vor allem, weil es dann auch noch immer so weiter geht.

Wo man schon dabei ist erklärt man den Zuschauern nämlich auch noch mit Hilfe des Erzählers, was unser Publikum hier genau erwarten darf. Gemeinsam mit den beiden Helden durchqueren wir „ die Höhen und Tiefen des gewaltigen Felsengebirges“ und reiten mit ihnen „über die endlosen Weiten der amerikanischen Prärien“. Wozu wir, nicht völlig überraschend, folgende Aufnahmen sehen: Winnetou und Old Shatterhand laufen durchs Felsengebirge, Winnetou und Old Shatterhand reiten durch die Prärie.

Winnetou und Old Shatterhand in „Der Schatz im Silbersee“
Jetzt aber leise. Winnetou und Old Shatterhand erkunden die Gegend (Foto: ©Leonine).

Ein Spiel mit offenen Karten
„Better show and tell“ scheint hier die Prämisse zu sein und man setzt dann sogar noch einen drauf, in dem der Erzähler gleich noch die Handlung des Filmes schnell zusammenfasst: „Mit ihnen erleben wir das große Abenteuer eines gnadenlosen Kampfes um den Besitz märchenhafter Reichtümer“. Mit so offenen Karten zu spielen raubt aber zwangsläufig jede Spannung bei der Etablierung eines Charakters. Doch bei aller Kritik an dieser genauso hölzernen wie unkreativen Einführung, es gibt auch durchaus ein paar interessantere Aspekte in diesen ersten Momenten zu entdecken.

Da wäre einmal die grundsätzliche Entscheidung der Macher, direkt mit den beiden Figuren zusammen in einer Szene anzufangen. Und nicht etwa jedem eine eigene Einführung zu gönnen. Eine Entscheidung, die durchaus nachvollziehbar ist. Schließlich ist es diese enge Verbindung der beiden Hauptfiguren, die für viele Leser gerade den Reiz der Buchvorlage ausmacht. Es ist also durchaus nicht so unclever, so schnell wie möglich dieses Band zu festigen. Einmal natürlich durch die Worte des Erzählers, aber eben auch (deutlich subtiler) durch den Einklang, in dem die zwei Figuren hier agieren.

Winnetou und Old Shatterhand in „Der Schatz im Silbersee“
Blindes Vertrauen. Blutsbrüder verstehen sich auch ohne Worte (Foto: ©Leonine).

Brüder im Geiste
Ob durch Blicke der Zuneigung, das gemeinsame Reiten Seite an Seite oder das kurze Heranwinken von Winnetou durch Old Shatterhand – die Botschaft dieser ersten Szene wird auch auf der rein visuellen Ebene schnell deutlich: diese zwei Jungs brauchen keine Worte, um sich zu verstehen. Denn sie gehen gemeinsam durch dick und dünn. So etabliert man in den ersten Minuten durchaus nicht ganz ungeschickt die wichtigste emotionale Grundlage des Buches: die innige Männerfreundschaft.

Gut, hier halten wir uns schon an einem sehr dünnen Strohhalm fest. Insgesamt ist das alles natürlich immer noch ziemlich banal. Und so wollen wir, alleine der Unterhaltung des Autor dieser Zeilen willen, hier zumindest noch ein klein wenig tiefer bohren. Und schauen uns deswegen die zweite Szene der berühmten Blutsbrüder an, in der sie den Tatort inspizieren. Hier kann man der Art und Weise, wie man mit den Figuren umgeht, nämlich durchaus auch noch einen interessanten Aspekt abgewinnen.

Winnetou und Old Shatterhand in „Der Schatz im Silbersee“
Spurenlesen ist Indianersache. Winnetou inspiziert den Tatort (Foto: ©Leonine).

Indianer mit Heimvorteil
Die dominante Figur in dieser ersten größeren Szene ist nämlich ganz deutlich Winnetou. Er übernimmt die Führung, er entdeckt die Spuren und er gibt die meisten der Kommandos. Old Shatterhand darf zwar auch etwas kombinieren, ist aber deutlich passiver. Und am Ende ist es auch Winnetou, der entscheidet in welche Richtung nun wer zu gehen hat. Nur wieso ist das so?

Dass die Figuren hier unterschiedliche Führungsqualitäten zeigen hängt stark mit dem Heimvorteil Winnetous und der damit verbundenen Erwartungshaltung des westlichen Publikums zusammen. Das Publikum geht natürlich davon aus, dass Winnetou derjenige sein muss, der sich hier wie zuhause fühlt. Weil er es ja auch ist. Er kennt sich besser aus und kommt mit den Gegebenheiten besser zurecht. Und selbstverständlich liest der Indianer die Spuren und nicht der zugereiste Deutsche. Natürlich kann man es auch einfach Klischee nennen – allerdings ein logisch nachvollziehbares.

Winnetou und Old Shatterhand in „Der Schatz im Silbersee“
Ich weiß, wie es geht. Winnetou gibt Anweisungen an seinen „Bruder“ (Foto: ©Leonine).

Der Zuschauer als Greenhorn
Aber auch der Faktor „Identifikation“ spielt eine wichtige Rolle in dieser Szene. Das deutsche Kinopublikum und auch die Leser des Buches identifizieren sich natürlich tendenziell eher mit dem deutschen Greenhorn als dem „fremdartigen“ Indianer. Um als europäisches Publikum in diese fremde Welt einzutauchen ist Old Shatterhand also die geeignetere Identifikationsfigur. Und dementsprechend gestaltet man dann auch die Einführung. So ist es unser Greenhorn, welches wie das Publikum erst mal eher die „passivere“ Rolle des Beobachters einnimmt. Es ist also bezeichnend, dass die ersten Worte von Winnetou eine Feststellung sind, während es sich bei dem ersten Satz aus dem Mund von Old Shatterhand um eine Frage handelt.

Natürlich handelt es sich hier insgesamt immer noch um eine ziemlich platte Charaktereinführung, bei der vor allem die Verwendung des Erzählers ein gutes Beispiel dafür ist, wie man es eigentlich nicht angehen sollte. Doch mit dem Fokus auf das enge Band zwischen den Figuren zeigt man hier auch durchaus etwas Köpfchen und das man eben schon darüber nachgedacht hat, wie man die Essenz der Figuren so schnell wie möglich in der Einführung etablieren kann. Um es mit den berühmten Worten eines anderen Protagonisten aus diesem Blog zu sagen: “Ich glaube, das ist der Beginn einer wundervollen Freundschaft“.

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