Kriminelle einzufangen ist ein Abenteuer. Frauen zu fangen aber noch viel aufregender. Interessiert sich weniger für die Reichen, sondern lieber für die Schönen: Monaco Franze
Monaco Franze (1983) – Die Story
Drehbuch Episode 1: Helmut Dietl, Patrick Süskind
Kriminalkommissar und Lebemann – das ist der 45jährige Franz Münchinger (Helmut Fischer), von allen nur liebevoll “Monaco Franze“ genannt. Mit seinem „Spatzl“ Annette lebt Franz zwar in glücklicher Ehe in München-Schwabing, kann aber nicht anders als in der Freizeit seinen Eroberungstrieben nachzugehen. Womit er dagegen gar nicht zurecht kommt sind die gehobenen Kreise, in die ihn sein „Spatzl“ immer wieder entführen will.
Die Einführung von Franz Münchinger
Unser Monaco Franze sitzt Model für die Malkünste von seinem „Spatzl“. Die echauffiert sich, dass er dabei nicht ruhig sitzen bleiben kann, da sich Franz lebhaft über seine Rückenschmerzen und die Anweisungen seines „Spatzl“ aufregt. „Natürlich“ soll er doch bitte schauen, meint sie, doch das fällt Franz schwer. Er winkt die Zuschauer heran und erläutert direkt in die Kamera, dass sein „Spatzl“ ja gar nicht weiß, wie er wirklich tickt. Aufgewachsen in einfachen Verhältnissen kann er die Liebe seiner Frau zur High-Society und den schönen Künsten ja so gar nicht teilen. Und sein Beruf als Kriminalkommissar ist für ihn ziemlich fad, liefert aber zumindest genug Ausreden, um nicht an den High-Society-Events seiner Liebsten teilnehmen zu müssen.
Als abenteuerlustiger Zeitgenosse findet er ja hübsche Frauen und spontane Erlebnisse viel interessanter. Sagt es und berichtet uns von einem Paradebeispiel: einem kleinen Flirt nach der Arbeit. Wir sehen nun wie unser Franz einer hübschen Passantin zu einem Schaufenster folgt. Die Dame weist unseren Franz zwar darauf hin, dass hier nichts laufen wird, doch der flirtet ungeniert drauf los. Die Dame macht sich zwar schließlich aus dem Staub, aber nicht ohne verschmitzt hinzuzufügen, dass er sich ja auf die Suche nach ihr begeben könnte. Das wird unser guter Monaco Franze natürlich später auch tun. Denn eines ist sicher: Ein bissel was geht immer.
Die Analyse:
Ich muss zugeben, ich bin ein großer Fan davon, wenn die sogenannte vierte Wand durchbrochen wird. Also wenn die Schauspieler das Publikum direkt ansprechen. Muss natürlich gut umgesetzt sein. Wie in diesem Beispiel. Dann gelingt es nämlich oft ziemlich gut einen extrem engen Draht zwischen Zuschauern und Figur zu spannen. Direkter geht es ja auch kaum.
Es ist aber schon immer ein Drahtseilakt, wenn man vermeiden will, dass dieses Mittel nicht zu plump wirkt. Und am Ende nicht einfach nur Faulheit des Drehbuchautors ist, der keine Lust hat subtilere Wege für die Vermittlung von entscheidenden Charaktereigenschaften zu finden. In „Monaco Franze“ ist es aber dem spielerischen Charme und der Leichtfüßigkeit der Präsentation zu verdanken, dass dieser Verdacht nie wirklich aufkommt. Und vor allem der Tatsache, dass diese Art der Einführung einfach sehr gut auf diesen sehr spielerisch wirkenden Charakter passt.
Fesseln für den Freigeist
Wenn ich wichtige Charaktereigenschaften etablieren möchte, ist einer der einfachsten Wege der, die Figur in ein Setting zu setzen, welches genau das Konfliktpotential bietet, damit diese Eigenschaften deutlich zu Tage treten. Was macht man also mit einer Figur wie Monaco Franze, die ein Freigeist ist? Genau, man legt ihr Fesseln kann.
So steht unser Franz für seine Frau Modell und darf sich keinen Zentimeter rühren. Für ihn natürlich schlicht nicht auszuhalten. Eine der wichtigsten Eigenschaften der Figur ist ja gerade die Tatsache, dass er im engen Korsett der Ehe sich gefangen fühlt und sich liebend gerne der Kontrolle seiner Frau entzieht. Das er in seiner Einführung also just genau für diese stillsitzen muss ist ein perfekte Einstieg für die Figur. Denn natürlich wird er rebellieren und der Zuschauer so gleich einen guten Eindruck von dessen Charakter bekommen.
High-Society vs. Landleben
So bewegt sich Franz auch gleich zum Leidwesen seiner Frau. Und richtet sich dann auch direkt schon an das Publikum. Er ignoriert ihre mahnenden Worte und betrügt sie sozusagen mit dem Zuschauer (von dem das Spatzl nichts ahnt) – genauso wie er später mit anderen Damen „fremdgehen“ wird. Dies verleiht Franz etwas lausbubenhaftes und rebellisches – was durch sein Lederjackenoutfit noch weiter unterstrichen wird. Und was natürlich im starken Kontrast zu seinem Spatzl steht, deren Outfit ihre High-Society-Wurzeln hervorhebt. Ein Kontrast, der den Charakter von Franz nur noch weiter schärft.
Dies ist dann auch der Grundtenor der ganzen Szene. Auf der einen Seite die edle High-Society-Dame, auf der anderen der rebellische Lebemann, der sich der Fuchtel seiner Frau entziehen möchte. Diese Botschaft wird, garniert mit ein paar weiteren kleineren Charakterfacetten, im Verlauf der Szene noch weiter gestärkt. Vor allem auch dadurch, dass sie später ziemlich direkt von unser Hauptfigur ausgesprochen wird.
Der perfekte Charaktermoment
So erklärt uns Franz direkt und ungeniert, dass ihn seine Frau ja eigentlich gar nicht kennt. Das er selbst auf dem Land aufgewachsen ist und mit ihrer High-Society-Clique ja so gar nichts anfangen kann. Und unser Franzl teilt uns auch mit, dass er als Polizeikommissar arbeitet. Das könnte man jetzt ziemliche einfallslose Charaktereinführung nennen. Sollte man das nicht eigentlich kreativer vermitteln, anstatt es einfach so heraus zu posaunen? Funktioniert hier aber trotzdem ziemlich gut, da der Film dies gleich auf mehrere Arten abfedert.
Zum einen gibt es geschickte Überleitungen von einer Charakterinfo zur nächsten, die alles etwas eleganter wirken lassen. So freut sich Franzl zum Beispiel, dass sein Beruf ihm genug Ausreden gibt, um nicht an den langweiligen Veranstaltungen seiner Frau teilnehmen zu müssen. Zum anderen werden auch subtilere Charaktermomente hier mit eingeschoben. So ist das Spatzl genau dann mit Franzls Gesichtsausdruck für ihr Bild am zufriedensten, als dieser uns gegenüber gerade von seiner Leidenschaft für das weibliche Geschlecht schwärmt. Der perfekte Gesichtsausdruck für das perfekte Bild – ausgelöst dadurch, was die Figur wirklich bewegt. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes gute Charakterzeichnung.
Das Publikum dein Komplize
Während also das Spatzl an der Staffelei steht möchten die Filmemacher ebenfalls ein möglichst akkurates Bild des Franzl zeichnen. Vor allem eines, was uns als Publikum stark an diese Figur bindet. Hierbei hilft das lakonisch-sympathische Spiel von Helmut Fischer genauso gut wie das Durchdringen der vierten Wand. Damit wir diese Person wirklich gut kennenlernen holt sich der Franzl den Zuschauer via Handbewegung nämlich noch einmal extra nah zu sich heran. Und die Kamera gleich mit.
Dieses kumpelhafte und intime Verhalten stärkt natürlich das Band zwischen den Zuschauern und der Hauptfigur ungemein. Denn jetzt wird das Publikum zum Mitverschwörer, denn unser Franzl gibt uns einen exklusiven Einblick in seine Gedankenwelt. Und läßt uns zur Krönung dann auch noch an seinem letzten kleinen Verführungsversuch teilhaben. Was natürlich ziemlich clever ist – man macht das Publikum einfach zum Komplizen. Und rückt es damit ganz eng an den Protagonisten. Der nun direkt auch zugibt, dass wenn eine schöne Frau vorbeikommt eine Art Automatismus bei ihm einsetzt. Es wird nicht gedacht, sondern gehandelt. Und wir dürfen exklusiv dem Franzl bei dessen liebstem Hobby über die Schulter schauen.
Flirten mit Anstand
Das die nun folgende Flirtszene so direkt am Anfang der ersten Folge gezeigt wird, verdeutlicht auch noch mal welche wichtige Rolle das weibliche Geschlecht im Leben von Franzl spielt. Und es zeigt seine Hartnäckigkeit und Leidenschaft für dieses „Hobby“, denn auch von den ersten ablehnenden Worten der Dame läßt sich dieser nicht entmutigen. Franzl zeigt sich hier als entschlossener Draufgänger, der die Dame, trotz deren ablehnender Haltung, zum Essen einlädt. Und sie sogar direkt nach Adresse und Telefonnummer fragt.
Natürlich besteht nun aber die Gefahr für die Autoren, dass die Szene eventuell zu stark in Richtung sexuelle Belästigung laufen könnte. Diese Charakterbombe wird aber gleich auf mehrere Arten und Weisen entschärft. Einmal dadurch, dass Franzl mit viel Charme agiert und das ganze sehr spielerisch wirkt. Dann vor allem dadurch, dass durchaus spürbar ist, dass die andere Seite zumindest nicht komplett abgeneigt ist. Schließlich fordert die Dame unseren Franzl am Ende dazu heraus, doch nach ihr zu suchen. Und, ganz entscheidend, unser Franzl läßt die Dame dann auch unbehelligt ziehen. So riskiert der Film die Sympathie für die Figur nicht unnötig, schafft es aber trotzdem uns ein ausreichendes Bild über dessen Stärken und Schwächen zu verschaffen. Es rückt die Figur eng an den Zuschauer, gerade durch das Durchbrechen der vierten Wand, und macht uns zum stillen Teilhaber an diesem kleinen Abenteuer. Also, alles perfekt. Oder etwa nicht?
Sympathie ist Meinungssache
Ganz so einfach möchte ich es mir hier dann doch nicht machen. So sollte zumindest noch einmal darauf hingewiesen werden, wer diese Analyse gerade geschrieben hat. Nämlich ein Mann. Dass das andere Geschlecht und jemand mit bestimmten Lebenserfahrungen unseren Franzl eventuell als gar nicht so sympathisch ansieht ist natürlich ebenfalls denkbar. Und überhaupt wird das Flirten in der Szene in der heutigen Zeit sicher deutlich skeptischer betrachtet als damals (Produktionsjahr 1983).
Die subjektive Wahrnehmung einer Figur ist natürlich immer eine sehr komplexe Angelegenheit. Und egal wie schön ich hier nachher auch argumentiere, gerade der Sympathieaspekt ist dann doch immer Ansichtssache. Die Einführung von „Monaco Franze“ zeigt dabei das Potential für unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten deutlich. Rein handwerklich darf man aber durchaus den Hut ziehen, denn hier hat eine Figur genau die Einführung bekommen, die zu ihr passt. Denn Franzl ist genauso verspielt wie diese Einführung. Kann nun ja jeder selbst entscheiden, ob er Lust hat diese Figur bei ihren frivolen Abenteuern zu begleiten…