Film

Ellen Ripley – Alien

Manche Einführungen brauchen besonders viel Zeit. Die nehmen wir uns ebenfalls und zwar für die erste große weibliche Heldin des modernen Action-Kinos: Alienjägerin Ellen Ripley.

Alien (1979) – Die Story

Drehbuch: Dan O’Bannon
Der Computer des Raumschiffs Nostromo weckt nach dem Empfang eines Notrufes seine Besatzung aus dem Kälteschlaf. Captain Dallas, die dritte Offizierin Ellen Ripley (Sigourney Weaver) und der Rest der Crew gehen der Spur pflichtbewusst nach. Doch leider bringen sie von der daraus folgenden Mission von einem fremden Planeten unbeabsichtigt einen blinden Passagier an Bord, dessen Anwesenheit schon bald ein tödliches Katz-und-Maus-Spiel in Gang setzt.

 

Die Einführung von Ellen Ripley

Nach dem Ripley und ihre Kollegen aus dem Kälteschlaf geweckt wurden gibt es natürlich erst mal Frühstück. Bei dem die Crewmitglieder Parker und Brett gleich schon eine Diskussionen mit Captain Dallas bezüglich einer Gehaltserhöhung starten. Dallas wird allerdings vom Bordcomputer zum Rapport gerufen, während der Rest sich auf seine Posten begibt und kurz darauf feststellt, dass die Erde nicht wie geplant direkt vor ihnen liegt. Um sich zu vergewissern setzt Ripley einen Funkruf ab – ohne Antwort. Die Rückkehr von Dallas bringt Aufklärung. Er teilt mit, dass sie vom Computer frühzeitig geweckt wurden, um einem mysteriösen Notsignal nachzugehen.

Diesem folgt man nun zu einem unbekannten Planeten, legt dort aber mit einem kleinen Landungsschiff eine eher unsaubere Landung hin. Während Ripley sich die dabei aufgetretenen Schäden genauer ansieht und mit den rebellischen Parker und Brett im Maschinenraum herumschlagen muss, begibt sich Dallas mit den Crewmitgliedern Lambert und Kane zur Quelle des Signals: einem mysteriösen Raumschiffwrack. Keine gute Idee, denn dort wird Kane von einem fremden Wesen befallen. Ab in die Krankenstation mit ihm denkt sich Dallas, doch Ripley verweigert ihrem Chef aus Quarantänegründen den Zutritt zum Schiff. Doch der Arzt Ash öffnet zum Entsetzen von Ripley eigenmächtig die Schleuse. Willkommen an Bord, gefährliches Alien.

Ellen Ripley in "Alien" - Zitat

Die Analyse

In diesem kleinen Blog liegt der Fokus bei meinen Charaktereinführungen ja meist auf sehr populären Hauptfiguren. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel und so können auch schon mal weniger bekannte Figuren oder auch Nebenakteure ins Rampenlicht gehoben werden – wenn ihre Einführungen denn interessante Aspekte bieten. Die große Masse der eher unspektakulären und oft biederen Charaktereinführungen werden von mir dagegen brav ignoriert. Doch manchmal ist der Grund für eine unspektakuläre Einführung nicht etwa die Faulheit der Beteiligten sondern clevere Strategie. Nämlich vor allem dann, wenn man sein Publikum nicht gleich von Anfang an mit der Nase darauf stoßen möchte, wer denn hier nun die Hauptfigur des Filmes oder der Serie ist.

Ganz besonders bietet sich das natürlich bei Werken im Horror- oder Thriller-Genre an, bei denen zahlreiche Protagonisten ins Gras beißen und man die Zuschauer über die genaue Reihenfolge im Dunkeln lassen möchte. Womit wir dann auch bei einem der wohl berühmtesten dieser Fälle gelandet sind und gleichzeitig bei einer der prägendsten Heldinnen der Kinogeschichte: Sigourney Weavers Ellen Ripley aus „Alien“. Eine derart starke weibliche Actionheldin hatte es bis dato im großen Hollywoodkino nicht gegeben und normalerweise würde man doch hier nun eine ziemlich einprägsame Figureneinführung erwarten. Doch das Ripley hier „Last Woman Standing“ sein wird soll natürlich zu Beginn nicht verraten werden und so scheint am Anfang des Filmes nicht viel auf deren große Rolle hinzudeuten. Oder vielleicht doch?

Ellen Ripley in "Alien"
Immer im Hintergrund bleiben. An der Bonus-Diskussion der Kollegen möchte sich Ripley nicht beteiligen (Foto: ©20th Century Fox).

Breakfast for Champions
Die dominierende Figur in den ersten Minuten ist Captain Dallas. Er gibt die Anweisungen, er hat das persönliche Meeting mit dem Bordcomputer und er übernimmt die Führung des Außeneinsatzes. Ripley dagegen darf am Frühstückstisch zu Beginn nur Brot anbieten und lächeln, sowie später im Cockpit einen nüchternen Funkspruch raushauen. Keine Figur, die für uns spürbar in den Mittelpunkt gerückt wird. Und doch beginnt hier in ganz kleinen Schritten der Aufbau von genau den Eigenschaften, die Ripley am Ende zur dominanten Hauptfigur werden lassen.

So lächelt Ripley am Frühstückstisch entspannt, nur um dann spürbar etwas genervt zu sein, als ein paar Kollegen noch einmal mehr Lohn rausschlagen wollen. Es wird so schon mal angedeutet, dass eine finanzielle Bereicherung bei dieser Mission für sie hier nicht auf der oberen Liste steht – was sie beim Publikum gleich ein wenig sympathischer erscheinen läßt. Wie so oft ist es hier auch der Kontrast zu anderen Figuren, der dafür sorgt, dass eigene Charaktereigenschaften vorsichtig etabliert werden. Etwas, dass auch bei „Alien“ zu Beginn gleich mehrmals passieren wird.

Ellen Ripley in "Alien"
Zeit den Kopf anzustrengen – dieses Signal wirkt doch irgendwie verdächtig (Foto: ©20th Century Fox).

Zu tough für Psychospielchen
So sehen wir Ripley im Cockpit als sehr fokussierte und pflichtbewusste Offizierin, die monoton aber unaufgeregt ihre Funksprüche absetzt. Allgemein reagiert sie relativ kühl und fokussiert auf das Geschehen um sie herum, was wiederum in Kontrast zu anderen Figuren steht, die deutlich nervöser und impulsiver portraitiert werden (Man nehme hier zum Beispiel den oft sehr unruhig wirkenden Ash oder die ängstliche Lambert, welche die Außenmission mehrmals abbrechen möchte).

Pflichtbewusst, fokussiert und moralisch intakt (da nicht geldgeil) – das sind die ersten kleinen Charakteranstriche, die uns hier präsentiert werden. Doch wo ist die später so berühmt gewordene Toughness von Ripley? Dazu kommt man wenige Minuten später, als Ripley die rebellischen Parker und Brett im Maschinenraum aufsucht und sich von deren Psychospielchen gänzlich unbeeindruckt zeigt. Und diese mit einem ordentlichen „Fuck off“ quittiert. Eine Szene, die während der ja eigentlich viel spannenderen Außenmission zwischengeschnitten wird und für die eigentliche Handlung nahezu unbedeutend ist. Trotzdem entscheidet man sich hier dafür, den spannenderen Teil der Story für diesen Charaktermoment zu unterbrechen, weil es eben wichtig ist diese Charaktereigenschaft von Ripley zu kommunizieren.

Ellen Ripley in "Alien"
Regeln sind Regeln – Ripley läßt selbst den Chef nicht an Bord wenn es das Regelbuch nicht erlaubt (Foto: ©20th Century Fox).

Charakter-Crescendo
Doch dabei bleibt es nicht. Die Außenmission wird noch mal unterbrochen und zwar diesmal dadurch, dass Ripley auf eigene Faust sich das Notsignal noch einmal anschaut. Und herausfindet, dass es wohl eigentlich eher eine Warnung ist. Das ist natürlich ein geschickter dramaturgischer Schachzug, um der Szene im Wrack des Alien-Raumschiffes noch mehr Spannung zu verleihen. Es ist aber auch gleichzeitig ein weiterer wichtiger Charakterbaustein, da wir nun Ripley auch als sehr clevere Figur erleben, die mitdenkt und bereits jetzt schon den richtigen Schluß zieht – die Crew dort draußen muss gewarnt werden.

Jede dieser kleinen und eigentlich unscheinbaren Momente von Ripley vervollständigt das Charaktermosaik der Figur um ein weiteres wichtiges Puzzlestück. Und alle diese Puzzleteile kommen dann in einem Moment zur vollen Blüte, der zum Höhepunkt von Ripleys auf mehrere Szenen verteilten Figureneinführung avanciert. Als Dallas und Lambert mit dem vom Parasiten befallenen Kane Zutritt zum Schiff fordern, verweigert Ripley diesen. In dieser Szene zeigen sich nun genau die Charakterzüge in wundervollem Zusammenspiel, die vorher in unscheinbarer Kleinarbeit etabliert wurden. Ripley ist pflichtbewusst, da sie sich hier knallhart an die Regeln hält. Sie bleibt ruhig und fokussiert, trotz des dramatischen Momentes (und der emotionalen Reaktionen von Dallas und Lambert). Sie zeigt Intelligenz, in dem sie vorausdenkt und die richtige Entscheidung trifft. Und sie zeigt Stärke, weil sie sich dem eigenen Chef widersetzt. Alles fügt sich perfekt zusammen und als Ash ihre Anweisung ignoriert und die Luke doch öffnet, kann man schon erahnen, dass Ripley für diese nun aufziehende Gefahr wohl am Besten gewappnet ist – schließlich hat sie es als Einzige kommen sehen.

Was also auf den ersten Blick wie eine unscheinbare Charaktereinführung aussieht ist eigentlich ein perfekt ausgeklügelter Plan, der geschickt die Wichtigkeit von Ripley dadurch etwas verschleiert, dass er deren Figureneinführung sehr dezent über mehrere Szenen verteilt. Und der gleichzeitig doch dafür sorgt, dass alle Eigenschaften zusammenkommen, die genau diese Figur dafür prädestinieren über ihre Rolle als eher unscheinbare Nebenfigur hinauszuwachsen. Manchmal sind es eben viele kleine Schritte, die etwas ganz Großes erschaffen können.

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