Film

Hans Landa – Inglourious Basterds

Tarantino schreibt Geschichte. Um. Dafür braucht es neben dem Führer höchstpersönlich aber auch noch ein deutlich unterhaltsameres Feindbild: den genauso niederträchtigen wie absurd-korrekten Nazi-Oberst Hans Landa.

Inglourious Basterds (2009) – Die Story

Drehbuch: Quentin Tarantino
Eine Gruppe amerikanischer und jüdischer Soldaten führt im zweiten Weltkrieg gezielte Vergeltungsschläge gegen Nazis durch. Es reift bei ihnen der Plan, in dem Pariser Kino von Shosanna Dreyfus den Führer himself auszuschalten. Die jüdische Kinobesitzerin hat allerdings auch noch so ihre ganz persönliche Rechnung mit dem dritten Reich offen, schließlich musste sie als Kind mitansehen, wie der Nazi-Oberst Hans Landa (Christoph Waltz) ihre komplette Familie ermordete.

 

Die Einführung von Hans Landa

Der Milchbauer Perrier LaPedite erhält auf seiner kleinen Farm Besuch eines Einsatzkommandos unter Führung des deutschen Oberst Hans Landa. Spürbar angespannt kommt er der Bitte nach, seine Töchter nach draußen zu schicken und sich mit Landa an einen Tisch zu setzen. Mit süffisantem Grinsen berichtet Landa ihm, dass er sich noch einmal vergewissern möchte, dass LaPedite auch wirklich keine Juden bei sich versteckt. So horcht er Perrier vor allem zu der noch vermissten jüdischen Familie Dreyfus aus. Mit Stolz brüstet sich Landa dabei seines Spitznamens „Der Judenjäger“ und seiner Fähigkeit, sich gut in seine Opfer hineinversetzen zu können, was ihm erlaube diese in jedem Versteck ausfindig zu machen.

Angesprochen darauf, ob er ihm nicht doch etwas mitzuteilen habe offenbart der verängstigte LaPedite das Versteck und deutet auf die Stelle des Fußbodens, unter der sich die Familie Dreyfuß aufhält. Landa ruft daraufhin seinen Einsatztrupp herbei, der gleich mehrere Maschinengewehrsalven in den Boden feuert. Lediglich Shosanna überlebt und flüchtet über die Wiese. Landa entdeckt dies und zieht den Revolver – doch er zögert abzudrücken. Schließlich ruft er ihr nur ein „Au Revoir“ hinterher – Shosanna entkommt.

Hans Landa in "Inglourious Basterds" - Zitat

Die Analyse

Würde man nur einen Blick auf die Dialogzeilen des Drehbuches werfen, könnte man bei der Einführung von Hans Landa in „Inglourious Basterds“ lange Zeit meinen, hier kommt nur einer kurz auf ein Gläschen Milch beim Nachbarn vorbei. Das da noch viel mehr dahinter steckt, am Ende sogar gleich eine der intensivsten Charaktereinführungen der 2000er-Jahre, liegt an den zahlreichen spannenden „Nebengeräuschen“, die Quentin Tarantino seinem Werk hinzufügt.

Dabei geht es ja noch ganz klassisch los für eine Einführung. Erst mal wird der Auftritt der „wichtigeren“ Figur hinausgezögert und schon mal für Stimmung und „Vorfreude“ gesorgt. So beobachten wir die Familie LaPedite dabei, wie diese ängstlich die Ankunft unseres Nazi-Oberst erwartet. Untermalt von Ennio Morricones Soundtrack, der nicht von ungefähr an die musikalische Begleitung klassischer Westernduelle erinnert. In diesem Fall kommt aber im Vorfeld nur einer der beiden Beteiligten des Duells ins Schwitzen. Der Andere (Landa) könnte dagegen entspannter nicht sein. Die Machtverhältnisse des kommenden Treffens werden also schon einmal vorab klar kommuniziert.

Hans Landa in "Inglourious Basterds"
So böse schaut er selten. Hans Landa ist eigentlich ein „freundlicher“ Judenjäger (Foto: ©Universal Pictures Germany).

Bitte oder Befehl
Der intensive Spannungsaufbau zu Beginn wird von dem ersten Auftritt Hans Landas dann scheinbar ein klein wenig konterkariert. Landa agiert nämlich schon fast übertrieben freundlich und herzlich. Das dies natürlich nur aufgesetzt ist wird durch die Reaktion der Familie LaPedite deutlich – alles sind nahezu erstarrt beim Anblick Landas. Dieser wiederum spielt auf ganz subtile Art und Weise mit deren nervöser Angst. Landa nutzt diese perfide, in dem er seinem Gegenüber „scheinbar“ die Macht über die kommenden Ereignisse übergibt.

Gerne würde er ja ins Haus eingeladen werden. Könnten denn, wenn es keine Umstände macht, die lieblichen Töchter den Raum verlassen? Und wäre es denn akzeptabel, wenn man die Konversation in Deutsch fortführen würde? Natürlich hat LaPedite bei all diesen „Bitten“ aber keine Wahl, stattdessen hat es Landa in seiner Machtposition (draußen warten schließlich ein paar Soldaten) gar nicht nötig, Befehle zu geben. Er genießt stattdessen den Luxus, sich als freundlicher Bittsteller zu präsentieren. Dieses Verhalten ist fast über das ganze Gespräch hin zu beobachten, wobei alleine schon durch die Blicke zwischen den Familienmitgliedern LaPedite immer wieder unterstrichen wird, wer hier gerade vom Gastgeber zum Gast ohne Rechte mutiert ist. Wundervoll zu sehen an der Tatsache, dass es nachher Landa ist, der LaPedite bittet am Tisch Platz zu nehmen. Wohlgemerkt in dessen eigenen vier Wänden.

Hans Landa in "Inglourious Basterds"
Drei bezaubernde Schwestern. Da zieht Hans Landa gerne den Hut vor (Foto: ©Universal Pictures Germany).

Kühler Kopf dank kühler Milch
Gleichzeitig wird uns Landa aber auch als pflichtbewusster und fast konservativer Beamter präsentiert. Das beginnt bei kleinen Details, wie der Tatsache, dass Landa ein Glas Wein ablehnt und lieber Milch trinken möchte. Oder die Art wie Landa fein säuberlich sein Schriftzeug sortiert, Punkt für Punkt seine Checkliste abarbeitet oder auch gar direkt darüber philosophiert, dass man auch unnütze Pflichten besser abarbeiten sollte. All das unterstreicht: am Ende gehts hier doch einfach nur ums kühle Business. Nur, dass unsere Figur hier seine ganz eigene kranke Art hat dieses durchzuziehen.

Dabei widmet sich Landa fast schon mit einer kindlicher Begeisterung und einer narzisstischen Selbstverliebtheit seiner Mission. Die Präsentation dieser Charaktereigenschaften wird dabei auf wundervolle Weise mit der Kommunikation von trockenen Fakten zur Figur verknüpft. Anstatt das Landa selbst seine Jobbeschreibung oder seinen Spitznamen herunterrattert, bittet er LaPedite doch selbiges für ihn zu tun. Eine wundervolle Umkehrung eines sonst so langweiligen Mittels zur Charaktereinführung, denn sie verpasst Landa noch einmal einen Schwung weiterer bunter Charakterfarbe. Wir sehen einen Mann, der es liebt die eigenen Errungenschaften noch einmal erzählt zu bekommen und der dies gleichzeitig dafür nutzt, das Spiel mit seinem Gegenüber weiter auf die Spitze zu treiben. Denn wieder muss LaPedite hier Sachen aussprechen, die eigentlich sowieso schon klar sind, ihm gegen den Strich gehen und die ihn somit noch mehr zu einem reinen Befehlsempfänger in Landas krankhaftem Spiel machen.

Hans Landa in "Inglourious Basterds"
Landa kann nicht nur Tabak sondern auch seinen Gegenüber in der Pfeife rauchen (Foto: ©Universal Pictures Germany).

Wer hat die größere Pfeife?
Stück für Stück baut der Film so also auf den großen Höhepunkt der Einführungssequenz hin, wobei er gegen Ende hin langsam auch die freundliche Fassade Landas immer deutlicher bröckeln läßt. Mit wem wir es hier wirklich zu tun haben wird immer klarer, wenn Landa den Stolz über seinen Spitznamen „Judenjäger“ nicht verbergen kann und so gar nicht versteht, wie ein Kollege den Spitznamen „Henker“ hassen kann. Ist doch nichts daran auszusetzen. Und wenn Landa über den Vergleich von Juden mit Ratten philosophiert zeigt sich seine Mischung aus aufgesetzter Freundlichkeit und kranker Boshaftigkeit noch deutlicher. Erst scheint er auf verquere Art Verständnis für Juden aufbringen zu wollen bevor er schließlich zu einer noch kaltherzigeren Schlussfolgerung kommt.

All diese unterschiedlichen und manchmal konträr erscheinenden Charakterfacetten machen Landa zu einem der schillerndsten Bösewichte der letzten Jahrzehnte. Und das alleine schon nur in dessen Einführungsszene. Dementsprechend ist es ganz passend, dass Landa sich eine extravagante riesige Pfeifer anzündet – im Gegensatz zu der kleinen unscheinbaren seines Gegenübers. Auch so kann man einer Figur noch mehr Farbe verleihen.

Hans Landa in "Inglourious Basterds"
Schieß ich oder schieß ich nicht. Landa zielt auf die weglaufende Shosanna (Foto: ©Universal Pictures Germany).

Tarantino sagt „Cut“
Bevor die Maske aber nun endgültig fällt kommt LaPedite noch ein letztes Mal in den Genuss von Landas aufgesetzter Freundlichkeit. Dieser bietet ihm nett die Chance, doch das Versteck der Juden zu verraten. Nun merkt Landa, dass er seinen Gegner an der Angel hat und, ganz der erfahrene Jäger, schlägt nun zu. Freundlichkeit ist nun nicht mehr nötig und es zeigt sich endlich das wahre Gesicht. Nun stellt Landa direkt die Fragen beziehungsweise liefert auch direkt die Antworten. Ja, hier sind Juden versteckt und ja, er weiß auch genau wo. All dies ohne aufgesetztes Lächeln, stattdessen mit bösem Blick und knallhartem Befehlston. Und so schreitet Landa zur blutigen Tat, nur um am Ende noch eine weitere kleine Überraschung auf Lager zu haben. Die flüchtende Shosanna wird von ihm verschont.

Hat Landa etwa Mitleid mit dem Kind? Diesen Eindruck hat er bisher eigentlich nicht vermittelt. Und die Antwort auf diese Frage ist auch wenig komplizierter und verrät mehr über das Filmemachen als die eigentliche Figur. Ursprünglich folgte hier nämlich im Drehbuch noch eine Anschlussszene, in der Landa einem seiner Soldaten mitteilt, warum er Shosanna verschont hat. Dort draußen sei sie ja sowieso so gut wie tot. Ohne diese Szene, die es nie in den Film geschafft hat, ist das Zögern Landas deutlich schwieriger zu interpretieren. Und macht die Figur genau dadurch eigentlich noch ein bisschen interessanter. Man kann nur mutmaßen, warum sich Tarantino nachher gegen diese Anschlussszene entschieden hat, aber vermutlich kam er wohl zu einem ähnlichen Schluss: ohne diese Szene geht dem Film nichts verloren, eher das Gegenteil ist der Fall. Und so kommen am Ende ganz viele Puzzleteile zusammen (und den kongenialen Christoph Waltz wollen wir hier natürlich nicht unter den Tisch kehren), dank derer der erste Auftritt von Hans Landa zu eine der gelungensten Charaktereinführungen eines Schurken wird. Au revoir, Hans.

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