Film

Benoit Blanc – Knives Out

Lügen haben ja meist kurze Beine. Und werden noch schneller einkassiert, wenn sie auf einen Meisterdetektiv treffen. Bitte übernehmen Sie, Benoit Blanc.

Knives Out (2019) – Die Story

Drehbuch: Rian Johnson
Eigentlich sieht alles nach Suizid aus. Und einem ganz einfachen Fall. Doch der berühmte Privatdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) glaubt nicht daran, dass der Krimiautor Harlan Thrombey seinem Leben selbst ein Ende bereitet hat. Mögliche Mordverdächtige gibt es reichlich. Schließlich waren am Abend vor Thrombeys Ableben einige weitere Familienangehörige ebenfalls vor Ort. Doch deren Lügengeflechte muss Benoit Blanc erstmal erfolgreich entwirren.

 

Die Einführung von Benoit Blanc

Im herrschaftlichen Anwesen des Krimiautors Harlan Thrombey findet dessen Haushälterin selbigen tot auf. Sieht ganz nach Selbstmord aus. Trotzdem bitten eine Woche später die beiden ermittelnden Polizisten alle Familienangehörigen zur Befragung ins prachtvoll ausgestattete Wohnzimmer von Thrombeys Villa. Während unsere Ermittler jeden der Beteiligten mit Fragen zu dem schicksalshaften Abend löchern, hat es sich ein mysteriöser Gast stumm in einem Sessel im Hintergrund bequem gemacht. Der Mann sorgt aber schon bald bei Harlans Kindern Linda und Walt für Irritierung, da er scheinbar unmotiviert immer wieder kurz die Taste des neben ihm stehenden Klaviers spielt.

Der Beginn der Einführungsszene im Video

Wer zum Teufel ist dieser Typ? Harlans Schwiegertochter Joni und Lindas Ehemann Richard haken da lieber mal direkt nach. Und erfahren, dass ein Unbekannter den großen Detektiv Benoit Blanc für den Fall engagiert hat. Blanc versichert, mit jeder Menge Feingefühl die Sache anzugehen. Fragen stellen muss aber natürlich trotzdem erlaubt sein. Blanc möchte nicht nur mehr über die Rolle von Harlans junger Pflegerin Marta erfahren. Er versucht auch geschickt die Eitelkeiten seiner Verdächtigen dafür zu nutzen, mehr über mögliche Motive und Begebenheiten an dem Abend herauszufinden. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass Benoit den Familienclan hier gehörig ins Schwitzen bringt.

Benoit Blanc in "Knives Out" - Zitat

Die Analyse

Eigentlich könnte man ja über ziemlich viel bei der Einführungsszene von Benoit Blanc reden. Weil es gleichzeitig auch eine so wundervolle Vorstellung der vielen Verdächtigen ist. Nehmen wir den wundervollen Schnitt von der Befragung Lindas zu der ihres Mannes Richard. Während sie noch selbstbewusst Blancs gestellter Falle entgeht, beißt ihr etwas einfältiger Ehemann direkt an. Die Art und Weise wie „Knives Out“ hier humorvoll und gewitzt die Macken und Charakterzüge der Figuren herausarbeitet ist schon handwerklich ganz großes Kino. Das läßt sich auch über die Figurenzeichnung von Blanc sagen, auch wenn man bei dessen erstem Auftritt hier natürlich viele der uns bereits vertrauten Stilmittel der Charaktereinführung anwendet.

Da wäre natürlich zuerst einmal das Hinauszögern des großen Auftritts. Zuerst sieht man von Blanc nur ein paar Beine ganz außen im Bild. Als Nächstes erhaschen wir ihn unscharf im Hintergrund. Dann erlaubt man uns langsam ein etwas schärferes Bild und wir bekommen seine Hand in Großaufnahme serviert. Wie sie eine Taste auf einem Klavier spielt, was das erste Eingreifen Blancs in die Handlung ist. Aber auch nur kurz und ganz ohne Worte. Der typische Spannungsaufbau eben, wenn man seinen Star zwar ankündigen, aber dessen Eingreifen, um der Dramatik willen, möglichst lange herauszögern möchte. Und so denkt sich das Publikum schließlich bald das Gleiche wie unsere Verdächtigen: Wer zum Teufel ist der Typ?

Benoit Blanc in "Knives Out"
Ja, wo ist denn unser Meisterdetektiv? Es hat wohl nur für die Beine gereicht (Foto: ©LEONINE).

Loblied auf den Helden
Blanc zieht ja gewollt ein wenig Aufmerksamkeit auf sich, als er immer wieder die Befragung durch das Drücken der Klaviertaste „kommentiert“. Offensichtlich, um das Verhör der beiden Polizisten zu steuern und dafür zu sorgen, dass es nicht in belanglose Fahrwasser abdriftet. Und das gibt sowohl den Beteiligten im Raum als auch dem Publikum das Gefühl, dass das wahre Mastermind hier wohl im Hintergrund auf dem Sessel sitzt. Ganz cool und entspannt. Diese Coolness wird auch dadurch untermauert, dass die erste Nachfrage von Joni nach seiner Identität bei Benoit nicht einmal ein Schulterzucken hervorlockt. Geschweige denn eine Antwort.

Das sollen doch bitte andere übernehmen. Und tun dies auch. Womit wir beim nächsten Klassiker der Charaktereinführung wären. Dem Loblied auf den Helden durch eine dritte Partei. Ist ja immer überzeugender, als sich selbst zu feiern. So erläutern unsere Ermittler nicht nur Benoit Blancs Funktion bei diesem Fall, sondern sie heben auch sein Talent und Renommee hervor. Damit das Publikum Blanc aber diese Lorbeeren abnimmt, verstärkt man auch diese Aussagen noch einmal. In dem sich nämlich auch die Verdächtigen als Fans outen dürfen. Dabei muss man auch einmal darauf achten, wie deren unterschiedlichen Reaktionen gleichzeitig auch deren Charakterprofile schärfen. Die intellektuellere Linda hat den Bericht über Blanc im New Yorker gelesen, die eher einfach gestrickte Joni kann sich dagegen nur an einen Tweet erinnern. Und Blanc? Der verzieht währenddessen keine Mine und spielt entspannt mit einer Münze zwischen seinen Fingern. Diese Beweihräucherung scheint er schon oft genug gehört zu haben. Und ist eindeutig zu cool, um darauf zu reagieren.

Benoit Blanc in "Knives Out"
Erst mal die Anfänger vorlassen. Blanc bleibt im Hintergrund (Foto: ©LEONINE).

Blanc als Südstaaten-Colombo
Schließlich kommt er aber dann natürlich doch, der Moment der Wahrheit. Und des großen Auftritts. Blanc übernimmt nun das Kommando und reißt die Konversation an sich. Obwohl er vorher noch anmerkt, dass er ja eigentlich im Hintergrund bleiben will. Aber das ist eben auch typisch für eine Figur, die ein bisschen auf harmlosen Columbo macht. Eigentlich bin ich ja schon weg, ich habe nur noch ein paar ganz banale Fragen. Bei denen man dann aber merkt, dass hinter der harmlosen Fassade ein ziemlich gewitztes Köpfchen steckt.

So zeigt die Fragetechnik von Blanc, dass er höflich aber auch sehr bestimmt sein kann. Und, dass er jede Menge Charme mitbringt, aber man ihm nicht die mangelnde Ernsthaftigkeit vorwerfen kann. Man achte einmal auf die wundervoll gespielte dramaturgische Pause von Daniel Craig, wenn Benoit die Aussage bezüglich seiner zurückhaltende Arbeitsweise als passiver Beobachter um einen kleinen aber wichtigen Nebensatz erweitert. Er ist hier um die Wahrheit zu finden. Mit anderen Worten, solange man ehrlich ist, hat man von ihm nichts zu befürchten. Das kann man auch als Drohung verstehen.

Benoit Blanc in "Knives Out"
Zeit für die große Bühne. Blanc greift ins Geschehen ein (Foto: ©LEONINE).

So setzt man Akzente
Ehrlich ist hier auf jeden Fall so gut wie keiner, wie wir durch die Antworten der Figuren schnell erahnen können. Und so zeigt sich schnell das größte Talent von Blanc, nämlich die clevere Kombinationsgabe gepaart mit einer ebenso cleveren wie manipulativen Verhörtechnik. Deren Erfolg zeigt sich schon direkt in dieser Einführungsszene und so stellt man, wieder ganz klassisch, die größte Stärke des Helden gleich zu Anfang eindrucksvoll unter Beweis.

Ein besonderer Farbanstrich dieses Charakters soll aber ebenfalls nicht unerwähnt bleiben. Das diese Figur irgendwie so anders als viele Ermittler vor ihr wirkt, liegt an einer cleveren Entscheidung der Macher. Man achte einmal auf die Worte von Blanc und die Art wie diese präsentiert werden. So hat man es auf der einen Seite mit einem fast belustigend wirkenden Südstaatenakzent zu tun, der so gar nicht zu dem Bild eines intellektuellen Meisterdetektivs passen will. Gleichzeitig nutzt Blanc aber eine sehr gehobene Wortwahl im Englischen, wie beispielsweise „behast“ oder „converse“, die ihn wiederum in ein anderes Licht rückt. Das ist eine spannende und ungewöhnliche Mischung, die Neugier auf diese Figur weckt. Und so steht die Einführung der Figur irgendwie auch sinnbildlich für den ganzen Film. Man nutzt vertraute Konzepte und verpasst denen einfach locker-schwungvoll einen interessanten und frisch wirkenden Anstrich. Und schon haben wir eine wundervollen Neuzugang in dem ja sowieso schon an tollen Charakteren reichen Detektivgenre. Willkommen in meinem Blog, Mr. Blanc.

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