Nein, das war kein tolles Kinojahr. Aber ein paar Highlights finde ich dann doch für meine Top 10 für 2024.
Manchmal muss man sich auch mit weniger zufriedengeben. Aufgrund meiner Oscar-Reihe drüben auf Filmszene, die mich einfach zu sehr auf Trab hält, ist diese Seite erst mal so etwas wie eingefroren. Nun ja, nicht komplett, weil ich sie weiterhin einmal im Jahr für mein kleines persönliches Filmfazit des Jahres reaktivieren werde. Und vielleicht so dem einen oder anderen, der über diese Seite stolpert, noch ein paar kleine Empfehlungen an die Hand geben kann.
Bevor wir in das Jahr 2024 starten, muss ich aber erst noch etwas nachholen. Da ich grundsätzlich meine Top 10 zeitlich an den jeweiligen deutschen Filmstarts orientiere, kann schon mal der eine oder andere Streifen, den ich etwas später sehe, untergehen. Im Fall des Jahres 2023 waren das gleich zwei großartige Filme, die ich erst am Anfang von 2024 gesehen habe. Und die, auch wenn sie in keiner offiziellen Top 10 bei mir gelandet sind, hier noch mal kurz separat gewürdigt werden sollen.
2023 Nachtrag – „Anatomie eines Falls“ (10/10)
Eigentlich sogar meine Nummer 1 des damaligen Kinojahres. Schlicht eine der am besten geschriebenen und gespielten weiblichen Hauptrollen der Filmgeschichte. Ich liebe ja Filme mit charakterlichen Schattierungen, und darin ist „Anatomie eines Falls“ ein wahrer Meister. Ein Film, der mit zunehmender Dauer mehr Fragen aufwirft, als beantwortet, dabei ein großartiges Charakterporträt zeichnet und auf intelligente und spannende Art die Natur menschlicher Beziehungen diskutiert. Ganz großes Kino!
2023 Nachtrag– „Killers of the Flower Moon“ (10/10)
Ich habe so manchmal ja meine Probleme mit Scorseses Filmen. Wobei „Probleme“ das falsche Wort ist – die Genialität des Mannes ist schließlich nicht zu leugnen, und seine Filme sind stets handwerklich großartig umgesetzt. Aber oft fehlt mir die emotionale Verbindung zu den Figuren, um wie andere seine Filme nicht nur als wirklich gut, sondern großartig bezeichnen zu können. Mit „Killers of the Flower Moon“ hat er aber einen Film gemacht, der mich auch emotional richtig gepackt hat. Geht doch, Martin.
In meinem Update der 2023er-Top-Ten-Liste würde „Anatomie eines Falls“ tatsächlich der neue Platz 1 sein – dicht gefolgt von „Past Lives“. Platz drei wäre dann auch schon „Killers of the Flower Moon“, womit wir gleich drei Filme in dem Jahr hätten, die von mir 10 von 10 Augen (die gute alte Filmszene-Wertung) erhalten.
Ich wünschte, ich könnte dieses Jahr ähnlich stark bewerten, aber (bisher) würde kein einziger meiner Top-Ten-Filme von 2024 die höchste Wertungszahl erhalten – ein eher maues Kinojahr geht hier zu Ende. Mag natürlich sein, dass ich die eine oder andere Perle verpasst habe. Einer der offensichtlichsten Kandidaten wäre „Dune 2“. Obwohl ich Denis Villeneuve als Regisseur liebe, hat der erste Teil zwar optisch begeistert, mich emotional aber ziemlich kaltgelassen. So richtig heiß darauf, den Wüstenplaneten Arrakis erneut zu besuchen, war ich nicht, und irgendwie hat sich der eigentlich geplante Kinobesuch dann doch nicht ergeben. Von den bisher am meisten diskutierten Oscar-Kandidaten des Jahres 2024, die in dem Jahr auch in Deutschland anliefen, fehlen mir bisher noch „Emilia Pérez“ und „Wicked“ – auch wenn sich gerade bei Letzterem (falsche Zielgruppe) meine Vorfreude auf den Film in Grenzen hält.
Hier nun meine Top Ten für das Jahr 2024 – ein paar zusätzliche Anmerkungen zu meinem Film- und Serienkonsum in dem Jahr dann wie immer im Anschluss.
10: Rebel Ridge
Eine kleine Überraschung auf Netflix. Gerade die erste halbe Stunde ist ein perfekt und effizient geschriebener Thriller. Ein Don Johnson in großartiger Bösewicht-Manier macht besonders Spaß, und auch wenn der Film in der zweiten Hälfte so seine Längen hat (wo ist der gute alte 90-Minüter?), ist „Rebel Ridge“ am Ende eine wirklich unterhaltsame Variation der Rambo-Story.
9: Alles steht Kopf 2
Der Vorgänger ist für mich noch immer der beste Pixar-Film aller Zeiten, und so schaute ich etwas skeptisch auf die Fortsetzung. Die reicht (natürlich) nicht an das Original heran, weil die Originalität und der WOW-Effekt der Welt bereits etwas verpufft sind. Trotzdem gelingt eine immer noch sehr liebevoll und clever gemachte Fortsetzung, die verdienterweise an der Kinokasse richtig groß abräumte.
8: The Substance
Body-Horror ist ja nicht unbedingt mein Ding. Wenn das aber so clever gemacht ist wie hier, kann man schon mal eine Ausnahme machen. Man muss einfach sagen, dass Regisseurin Coralie Fargeat Mut und Vision hat und gerade mit der durchgeknallten letzten Viertelstunde sozusagen All-In geht. Auch wenn der Film ein paar Schwächen hat, kommt man nicht umhin, seiner Macherin Respekt zu zollen. So leicht vergessen wird man ihn auf jeden Fall nicht – und das können in diesem Jahr nicht viele Filme von sich behaupten.
7: The Holdovers
Regisseur Alexander Payne findet mit „The Holdovers“ wieder zu alter Stärke zurück und legt ein wirklich einfühlsam geschriebenes und gespieltes kleines Charakterdrama vor. Einige der Storyelemente mögen sehr vertraut wirken, aber der warmherzige Blick auf eine Gruppe von Außenseitern fällt ziemlich unterhaltsam aus. Ein schönes Stück Wohlfühlkino.
6: Challengers – Rivalen
In die Rubrik Wohlfühlkino fällt „Challengers – Rivalen“ wohl kaum. Hier geht es wild und vor allem in Sachen Inszenierung stylish zu. Der Plot mag dünn sein und an Soap-Operas erinnern, aber wie das Ganze hier präsentiert wird, ist über weite Strecken einfach packend genug, um dies vergessen zu machen. Da hat man einfach Spaß damit, wie alle hier das Konfliktpotential immer weiter hochschaukeln, weil sie genau dieses benötigen, um Top-Leistung zu bringen.
5: American Fiction
Manchmal merkt man nach wenigen Minuten, dass man einen Film mögen wird. Wie hier gleich zu Beginn clever und witzig das Thema „Wokeness“ behandelt wird, ist wundervoll, auch wenn der Film später doch lieber Charakterporträt als Gesellschaftskritiker sein will. Auch wenn das ein klein wenig wie eine verpasste Chance wirkt und man noch mehr Biss gewünscht hätte, ist „American Fiction“ eine clevere Wohltat in aufgewühlten Zeiten.
4: Poor Things
Filme erschaffen Welten. Und die Welt von „Poor Things“ ist eine verdammt unterhaltsame. Ein Film, der vor Kreativität sprüht und den man, wenn man sich einmal darauf eingelassen hat, einfach nur genießen kann. Wer eine Emma Stone hat, kann ja sowieso nicht viel falsch machen.
3: Die Schneegesellschaft
Die besten Geschichten schreibt das Leben, die schlimmsten leider auch. Der spanische Oscarbeitrag von 2024, der auf einer wahren Geschichte basierend den Überlebenskampf einer Rugby-Mannschaft in den Anden schildert, geht mal so richtig unter die Haut – trotz oder vielleicht gerade wegen seiner Laiendarsteller und einem packenden Spannungsbogen.
2: Anora
Auf dem Papier klingt „Sexarbeiterin trifft Millionärssohn“ nach klassischem Hollywood-Märchen. Was Regisseur Sean Baker daraus macht, ist aber so viel mehr – vor allem dank einer energetischen Inszenierung und einer phantastischen Hauptdarstellerin. Gerade die erste Hälfte, bei der die Romanze zwischen zwei nicht gerade sympathischen Figuren einen völlig überraschend mitreißt, ist ganz großes Kino.
1: The Outrun
So sehr ich Mikey Madisons Leistung in „Anora“ auch liebe, die beste weibliche Schauspielleistung des Jahres kommt von der wie immer wundervollen Saoirse Ronan. In einem Drama rund um eine Alkoholikerin, die aus Angst vor dem Rückfall die Abgeschiedenheit ihrer alten Heimat sucht. Wie man sich hier die nötige Zeit nimmt, um den täglichen Kampf gegen die Sucht mit viel Ruhe auf die Leinwand zu bringen, nur um dann punktuell intensive Momente dazwischen zu streuen, ist wirklich gut gemacht. Und am Ende mein Film des Jahres – auch wenn es im Vorjahr nur für Platz 5 gereicht hätte.
Und sonst noch?
Was hat das Filmjahr 2024 sonst noch gebracht? Weiterhin habe ich viel Freude an meiner Oscar-Reihe, bei der ich alle jemals für den besten Film nominierten Werke rezensiere – beginnend ab dem Jahr 1929. Fast 90 Rezensionen stehen schon zu Buche, und in diesem Jahr hat sich „Ein Butler in Amerika“ als die bisher überraschendste Perle hervorgetan – solche entspannten Komödien würde ich heute auch gerne mal wieder sehen. Dazu gab es mit „Es geschah in einer Nacht“ und „Meuterei auf der Bounty“ Klassiker, die sich auch wirklich als solche entpuppten.
Außerhalb meiner Oscar-Reihe ist besonders „Weißer Terror“ von Roger Corman aus den 1960ern in Erinnerung geblieben – mit einem jungen William Shatner als rassistischer Aufwiegler in der Hauptrolle. Dazu habe ich endlich mal mit dem packenden „Aliens“ und dem bewegenden „Boyz n the Hood“ zwei große Filmlücken geschlossen. Größte Enttäuschung des Filmjahres war vermutlich Kevin Costners „Horizon“ – schließlich habe ich mich wegen dessen „Der mit dem Wolf tanzt“ einst in das Kino verliebt. Überraschend keine Gurken waren der unterhaltsame „Deadpool & Wolverine“ (auch wenn der kaum als richtiger Film bezeichnet werden kann) und die Rückkehr des Beverly Hills Cop.
Das Serienjahr war auch eher mau, was aber eher an mir als der Auswahl lag. Abgesehen davon, dass ich endlich meine Lieblings-Sitcom („Frasier“) beendet habe, gab es schlicht aus Zeitgründen nichts zu entdecken. Die Hoffnung im nächsten Jahr setze ich ganz auf die zweite Staffel des großartigen „Severance“ – ob für viel mehr Zeit ist, bleibt abzuwarten. In puncto Filmreleases habe ich eigentlich kaum etwas, das ich 2025 sehnsüchtig erwarte. Die „Avatar“-Reihe packt mich eher weniger, weswegen dessen dritter Teil kaum Vorfreude auslöst. Auch sonst sieht das bisherige Raster eher mau aus; Lust habe ich bisher nur auf Eastwoods „Juror Nr. 2“ – der aber vermutlich „nur“ ein guter Gerichtsfilm wird. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, nächstes Jahr vielleicht doch mal wieder die Höchstwertung ziehen zu können.
Hier nun noch einmal im Überblick alle meine Filmszene-Kritiken des letzten Jahres (allerdings ohne die Oscar-Reihe, hierfür bitte hier entlang).
Filme
Die Schneegesellschaft (9/10)
Der Junge und der Reiher (8/10)
The Holdovers (8/10)
Anatomie eines Falls (10/10)
Spaceman – Eine kurze Geschichte der boehmischen Raumfahrt (5/10)
The Zone of Interest (7/10)
Das Lehrerzimmer (5/10)
Dream Scenario (8/10)
Civil War (7/10)
Challengers – Rivalen (8/10)
The Fall Guy (6/10)
Weisser Terror (10/10)
Atlas (5/10)
Bad Boys: Ride or Die (6/10)
Beverly Hills Cop: Axel F. (7/10)
Alles steht Kopf 2 (8/10)
Deadpool & Wolverine (8/10)
Horizon – Eine amerikanische Saga (6/10)
Rebel Ridge (8/10)
Anora (9/10)
Gladiator 2 (7/10)
Konklave (7/10)
The Substance (8/10)
The Outrun (9/10)
Carry-On (7/10)
Serien
3 Body Problem
Eric
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